Umfrage* zu politischen Statements von Berthold Becker (FFD)

Ist Politische Beeinflussung von der Kanzel zulässig ?


14.9.2005
Berthold Becker (Fürbitte für Deutschland) machte als Predigender in einem Gottesdienst in Sachsen folgende Aussagen:

"Wir haben Helmut Kohl ins Amt gebetet."
"Schröder und seine Bande"

* im Anschluss an Eure Meinungen wurde ein Nachtrag eingefügt. Dort gibt es auch einen Link auf eine ähnliche Begebenheit unter gleicher Beteiligung.

Was denkt Ihr?
Eure Meinungen:
Dieses Thema ist weit schwieriger, als es auf den ersten Blick erscheint. Die Gefahr liegt nicht in Aussagen wie solche
- Die Partei Y ist schlecht.
- Wählt Kandidat Z.

Hier ist der Hörer ja in der Lage zu merken, daß der Prediger für oder gegen eine politische Situation Stellung nimmt. Er kann dem zustimmen, oder es ablehnen, sich aber auf jeden Fall eine eigene Meinung bilden.

Die Gefahr liegt wo ganz anders.

Es gibt keinen unpolitischen Pastor oder Gemeindeleiter!
Warum? Man kann doch sagen, daß es Menschen gibt und (auch Pastoren) die sich völlig aus der Politik zurückziehen und die sich nicht für das Tagesgeschäft interessieren, die Tagespolitik nicht diskutieren, nicht wählen etc. Man könnte meinen, daß sie nicht politisch sind.
Diese Handlungsweise ist aber keinesfalls politisch neutral! Diese Aussage bedeutet konkret: "Ich lehne die Politik ab" und das wiederum ist ein politisches Statement. Zugleich bewirkt diese Haltung, daß die bestehenden politischen Machtstrukturen als unveränderlich und gegeben akzeptiert werden. Das bedeutet nämlich zugleich "Ich bin nicht für eine Veränderung der politischen Verhältnisse". Das bedeutet konkret: ein Nichtwähler unterstützt automatisch die bestehende politische Situation im positiven wie im negativen.

Ein besonders deutliches Beispiel waren die Zeugen Jehovas im dritten Reich. Einerseits lehnten sie den Staat ab, was ihnen enorme Verfolgung bis in den Tod einbrachte. Hitler hat nämlich gemerkt, daß die Ablehung des Staates eine enorm politische Aussage ist und zwar eine die er als absolute Bedrohung für sich und den Staat empfand. Andererseits sind diese Leute nicht zur Wahl gegangen, haben also die Wahl Hitlers stillschweigend akzeptiert. Sie haben sich nicht dagegen ausgesprochen und damit den NS Staat stabilisiert. Diese "Unpolitischen" provozieren also genau das, was sie selbst ablehnen. Man könnte über diese Dummheit lachen, wenns nicht so traurig wäre.

Einen Rückzug aus der Politik gibt es also nur scheinbar. Jeder, der nichts gegen die Politik sagt, unterstützt die gegenwärtigen Verhältnisse.

Es gibt auch eine schlimme geheuchelte politische Neutralität in der Predigt: Man behauptet sich nicht in die Politik einzumischen, verbreitet aber zugleich eine politische Position als gottgewollt oder christlich bzw als widergöttlich oder antichristlich. Da wird z.B. ein Politiker abgewatscht, weil er schon mehrfach geschieden ist oder ein homosexueller Bürgermeister. Es geht dabei aber nicht um die Scheidung, sondern um die Stärkung der Gegenpartei (auch in der "guten Partei" gibts geschiedene Leute und Homosexuelle, interessiert aber anscheinend nicht). Solche "politisch neutralen" Prediger erzählen auch gerne wie gefährlich doch der Kommunismus ist und meinen das sei politisch neutral. Die Angstmache mit dem Kommunismus war aber schon oft zugkräftig für die politische Rechte. Sogar Hitler und die NPD waren damit auf Stimmenfang.

Die selben Greueltataten wie unter dem Kommunismus geschehen und geschahen unter den prowestlichen Diktaturen, ohne daß das thematisiert wird. Nicht selten, war das offizielle Schweigen aus den "chrtistlichen Demokratien" und das Gefühl dieser Menschen in ihrer Not alleine zu sein, erst der Auslöser für eine nachfolgende kommunistische Revolution in einem Land. Von Buße über dieses Versagen an diesen Menschen hört man aber nichts. Überhaupt ist eine der größten politischen Sünden die"prowestliche Diktatur". Da werden Menschenrechtsverletung, Krieg, Folter und Hunger, Ausbeutung und Korruption unkommentiert stehen gelassen. Das schönste Argument ist aber immer noch: Wenn der Diktator X nicht wäre, dann wäre dort der Kommunismus und das wärte noch schlimmer!

Das eigene politische Versagen, die verfehlte Bündnispolitik hat oftmals genau diesen jetzt so verdammten Kommunismus hervorgerufen.

Das sind für mich die schlimmsten Parteipastoren: Den politischen Gegner für die Folgen des eigenen Versagens verantwortlich machen.

Es gibt aber auch eine gute und notwendige Form von parteipolitischer Einmischung der Pastoren: Der Rufer zu mehr Gerechtigkeit, der Mahner für eine bessere Politik. Der Mensch, der über politische Gewalttaten von jeder Seite informiert und sich dagegen wendet. Da darf dann nicht Mord und Folter von der christlichen US-Regierung im Namen der zum bedauerlichen Einzelfall werden und Mord und Folter im antigöttlichen Kommunismus zugleich ein schweres Verbrechen. Eine offene und ehrliche politische Auseinandersetzung ist gefragt, nicht eine verdeckte Wahlkampfhilfe. Der Pastor sollte von der Kanzel rufen: bildet euch eine Meinung und dann macht das Kreuz an der Stelle, wo ihr es für richtig haltet. Es gilt immer noch: suchet der Stadt bestes.

g.b.

Da kommt bei mir die Wut hoch! Das liegt an meinen eigenen Erfahrungen mit politischen Äußerungen in Predigten, wie auch sonst in der Gemeinde.
Wozu gibt es Predigten? Damit die Gemeinde ermutigt wird, mit Jesus weiterzugehen und damit sie im Glauben wachsen kann.
Jesus selbst hat sich nur wenig politisch geäußert, und das, obwohl er in einem politisch brisanten Umfeld lebte. Man möge die Predigten mancher heutiger Prediger doch mal mit denen von Jesus vergleichen.
Liebe Prediger, stärkt doch durch das, was ihr sagt, das geistliche Leben in den Menschen, lasst sie mündig werden und traut ihnen zu, dass sie gute Entscheidungen treffen!

a.p.

vielleicht ist Berthold Becker nur der Fürbitte müde, da das Ergebnis
bislang nicht seinen Vorstellungen entspricht.
Und da hat sich gedacht, es doch einfach mal mit Manipulation zu versuchen.
Oder hat er etwa damit bereits Erfahrung und hat schon in der Vergangenheit
eifrig manipuliert ???

u.m.

Die Verunsicherung der Menschen in unserem Land bezüglich Politik ist gerade in der jetzigen Zeit sehr groß. Medien schütten seit Wochen eine Flut von Informationen aus, die geprägt sind von vagen Versprechungen und gegenseitigen Beschuldigungen und Anklagen der verschiedenen politischen Lager. Überdimensionierte Wahlplakate lösen ein Gefühl der Beklemmung aus.

Ich bin selbst im Osten aufgewachsen und habe kennengelernt, wie Menschen ihrer eigenen Entscheidungfreiheit vollständig beraubt wurden. Diese jahrzehntelange Entmündigung hatte zur Folge, dass viele Leute in den neuen Bundesländern bis heute Schwierigkeiten haben, eigene Meinungen und Positionen zu entwickeln und zu vertreten. Deshalb werden die Zuhörer solch einer Predigt besonders beeinflusst von dieser plumpen Art der Manipulation.

Ich bin schockiert, dass Pastoren sich dazu hinreissen lassen, ihre Predigten von den Praktiken der Politiker beeinflussen zu lassen.

Besonders schlimm ist, dass es sich um einen so bekannten Mann wie Bertold Becker handelt. Denn Worte eines solchen populären Predigers in Frage zu stellen, dürfte den Zuhörern doppelt schwer fallen.

Jesus möchte, dass wir zu mündigen Kindern Gottes heranwachsen, die durch die Nähe des Heiligen Geistes geführt und geleitet werden.

Es wäre richtiger und wohltuender, in der Predigt Worte zu hören, die Mut machen, ganz im Vertrauen auf Beistand und Weisheit unseres lieben Heiligen Geistes am 18.9. eine Entscheidung zu treffen.

Außerdem dürfen wir als Christen wissen, dass wir letztendlich der jeweilig regierenden Partei nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern dass Jesu Macht uneingeschränkt größer ist als jedes menschliche System von Regierung und Herrschaft.

Dieser Zuspruch wäre wesentlich geeigneter, den Menschen in einem Gottesdienst Sicherheit und Zuversicht in den Tagen der bevorstehenden Wahl zu geben

f.l.

Solche Aussagen in einer Gemeinde finde ich heikel. Anstatt den Christen ihre Mündigkeit zu vermitteln, sie zu eigenen Entscheidungen zu ermutigen, wird ihnen die polititsche Meinung eines einzelnen Predigers als maßgeblich übergestülpt und zwar mithilfe der Behauptung, dass er wissen will, dass er mit anderen zusammen für die Wahl des vorletzten Kanzlers vor Gott verantwortlich gewesen wäre. Das ist geistlicher Missbrauch. Doppelt heikel sehe ich, dass der Mann das in einer Ostgemeinde macht. Die kommen aus staatlichem Machtmissbrauch - und dann sowas.

p.m.

Nachtrag

Nach einem Briefwechsel mit Herrn Becker möchte ich folgende Erläuterungen machen:
Die Meldung bezieht zeitlich sich auf das Datum, das ihr voransteht.
Geistlicher Missbrauch als Begriff wird in Definitionen genauer ausgeführt.
Der Briefwechsel macht deutlich, dass Herr Becker thematisch ähnliche Aussagen in 2005 auf einer Tagesveranstaltung getroffen hat.
Die Meldung bezieht sich nicht auf eine Tagesveranstaltung, sondern auf einen Gottesdienst.
Dresden im Februar 2012
Jörg H.

2. Nachtrag
Hier möchte ich noch auf eine Meldung hinweisen, die in diesem Zusammenhang interessant sein kann: Die Esoterik von Berthold Becker