Pastor Benz auf der Queen Mary 2

Eine tragische Komödie.
Von Andreas

Die ganze Welt ist vom Antichristen besetzt. Die ganze Welt ist von Gott abgefallen. Die ganze Welt? Nein. In einem ziemlich großen Land in Europa, in Deutschland, gibt es ein kleines Bundesland. Dieses kleine Bundesland hat eine kleinere Provinzhauptstadt, und diese Provinzhauptstadt nennt sich Stuttenhofen. Dort treffen sich jeden Sonntag Tausende »wiedergeborener Christen« und feiern Gottesdienst. Sie preisen den Herrn und bekennen ihren Glauben unaufhörlich. Ihre Werke gehen um die ganze Welt. Die Wunder die geschehen sind unglaublich. Die Mitglieder der Gemeinde evangelisierten furchtlos auf der Königsstraße. Sie bekennen den Herrn Jesus skrupellos.

Bei der ersten Straßenevangelisation bekehrten sich lauter Taschendiebe. Sie waren der Überzeugung, sie müssten ihr Leben doch noch mal ändern, und kamen in diese wundersame Gemeinde. An dem Sonntag, als dann der Pastor, Reiner Benz, seine Predigt vorlas, offenbarte ihm der Heilige Geist, dass sich lauter Taschendiebe bekehrt hatten. So predigt der Pastor den Taschendieben: »Oh, ihr Taschendiebe, ich kann mich ja so gut in euch hineinversetzen. Wenn ihr eine alte Dame überfallt, dann ist sie traurig und jammert um ihr Geld. Wenn ich einer Omi den Zehnten abnehme, dann freut sie sich über einen Platz im Paradies. Wenn ihr einen Behinderten überfallt, dann ist dieser Mensch gefrustet. Erst gerade stand in der Zeitung: ›Behinderter überfallen‹. Wenn ich einem Behinderten den Zehnten abnehme, dann schöpft dieser Mensch auch neue Hoffnung, dass Gott ihn heilen wird. Und ich habe ein gutes Werk getan. Im Gegensatz zu euch. Ja. Wenn die Behinderten dann aber merken, dass es gelogen war, dann gehen sie zu dem bösen, bösen Lichtfeld, der dann in Dresden das aufnimmt, was ich ihnen angeblich angetan habe. Dieser böse, böse Lichtfeld hat überhaupt gar kein Mitleid mit mir. Der ist wie der Verkläger. Und wenn ich jetzt einer schwachen Person den Zehnten abnehme, schöpft sie wieder Glauben. Und wenn es dann daneben geht, dann hat sie halt nicht vergeben. Und dann hört es wieder der böse böse Lichtfeld und veröffentlicht es im Internet. Ach-ihr lieben Taschendiebe, ich hab es doch viel schwerer als ihr. Und trotzdem-wenn ich die Leute beklaue, dann ist es in Gottes Auftrag.«

Tief beeindruckt von dieser unglaublichen Predigt wuchsen in Stuttgart zahlreiche klitzekleine Gemeinden und binnen weniger Wochen gab es in Stuttgart keine Kriminalität mehr. Absolut nichts. Der Bürgermeister, der mit unserem Pastor gut befreundet war, kam eines Tages zum Pastor und meinte: »Lieber Pastor. Wie machen Sie das eigentlich? Die Gefängnisse sind leer. Die Staatsanwälte haben keine Anklagepunkte mehr. Die Verteidiger schlafen auf der Straße, weil niemand mehr etwas anstellt. Ist das wirklich dein Werk? Du kannst wirklich super evangelisieren. Wir haben nur noch fromme Leute. Jeder will jetzt Pastor werden. So wie du! Wir sind wirklich eine heilige Stadt geworden, seitdem du hier wirkst. – Nur eines geht mir nicht in den Sinn: Wir haben jetzt in Stuttenhofen fünf Mal mehr Psychiatrien als andere Städte. Das heißt, unsere Psychiatrien laufen über.«
Darauf der Pastor: »Lieber Bürgermeister. Du bist überhaupt nicht dankbar für das Werk Gottes, das er in dieser Stadt getan hat. Du musst erst einmal demütig und dankbar werden, dass deine Stadt von Kriminalität frei ist. Und die Leute, die in der Klapse landen, die haben halt nicht vergeben.«
So wurde gottesfürchtige Bürgermeister dann überzeugt, dass alles seinen rechten Gang genommen hatte.

Die Hauskreise quollen über in dieser Stadt. In einige schauen wir jetzt mal hinein: Und zwar die bezaubernde Gerda, die mit ihrer Freundin Patrizia den Hauskreis führte. Dann kam ein junges Mädchen hinzu, noch nicht ganz frei, die Bewährungshelferin war. Sie war selbst noch sehr unsicher im Leben. Und unsere zwei Hauskreisleiterinnen bekamen einen Schreck: »Die ist ja von der Justiz – um Gottes Willen – wenn die hier unseren Laden auffliegen lässt und unsere Betrügereien. Was machen wir denn da?«

Schnell wurde Petra umworben, geliebt und gekost und gesegnet. Da waren dann aber noch drei andere Hauskreise. Dort waren welche von Dämonen besessen. Die erste hieß Henriette. Sie hatte einen Sohn. Das erregte den Neid der Hauskreisleiterin, die ja doch so geisterfüllt war und in Sprachen betete, daher flog Henriette aus dem Hauskreis.

Der zweite, Andreas, war aber noch so gottesfürchtig, also gaben sie ihm noch eine Chance. Dieser Andreas war körperbehindert und der Meinung, durch Teufelaustreibung würde man gesund. Ihm wollten sie den Glauben natürlich nicht nehmen. Er bezahlte fleißig seinen Zehnten und hörte Bibellehrerkassetten und war absolut der Meinung, er könnte geheilt werden.

Auf den nächsten Sonntag wurde dann der gesamte Hauskreis vorbereitet. Der Pastor Reiner Benz würde predigen. Über das Sprachengebet. Dieses ist ja sehr umstritten in der gesamten Christenheit. Aber man war überzeugt, der Reiner könne das erklären. Der Sonntag kam und alle waren gespannt auf die Predigt. »Liebe Gemeinde im Namen Jesus. Das Sprachengebet. Viele bibeltreue Christen sind der Meinung, das Sprachengebet sei für die Evangelisation gedacht, um der Heiden willen. Und es müsse ausgelegt werden. Aber wozu denn? Die Christen müssen sich doch selbst und untereinander nicht verstehen. Sie reden in einer Sprache, die sie nicht verstehen. Und das ist doch auch gut so. Es wäre doch schlimm, wenn jemand in dieser Gemeinde sich selbst verstehen würde. Oder gar den Nächsten! Das brächte doch Rebellion. (Es reicht, wenn ich euer Bankkonto verstehe.) Das reicht voll und ganz. Wenn ihr euch nicht versteht, dann fangt doch an zu fasten und zu beten und sucht den Herrn, und gebt mir das eingesparte Geld. Warum muss man Sprachengebet auslegen? Oder auch diese Frommen, die da meinen, sie verstünden die Bibel. (Ich versteh nur mein Bankkonto – das reicht voll und ganz.)
Ja ihr Lieben. Ich möchte euch jetzt eine neue Art von Evangelisation vorstellen. Dieser blöde Alpha-Kurs. Das macht doch fast jede Gemeinde. Sogar dieser alte verstaubte AVJM macht diesen Alpha-Kurs. Und die sind doch überhaupt gar nicht wiedergeboren.
Also, ich mache einen neuen Kurs. Dieser neue Kurs wird Tausende zum Herrn führen. Es ist der Kurs mit den vier Ćs. Die vier Ćs stehen für Charismatik, wenn wir alle schön in Sprachen beten; für Cash, wenn ihr mir so gebt, und glaubt, dass Gott es segnen wird. (In Wirklichkeit bin ja nur ich gesegnet, war ihr aber nicht versteht, das ihr die Sprachen nicht versteht. Hauptsache also, ich verstehe euer Bankkonto.) Das dritte C steht für Chaos: wenn ihr euch auf den Boden legt und gackert und lacht, dann freue ich mich, und ihr glaubt, Gott wird euch erhören. Und wenn dann jemand wirklich krank ist, dann braucht er viertens also Christus, der ihn dann heilen wird(von meinen Ideen). So funktioniert dieses moderne System.«

Über diese Predigt war die gesamte Gemeinde hocherfreut. Und erfüllt vom heiligen Geist. Sie sprachen in neuen Sprachen, wälzten sich auf dem Boden, gackerten vor sich hin, und keiner verstand den anderen. Wie beim Turmbau zu Babel. Aber das blieb den meisten Gemeindemitgliedern leider verschlossen.

Es gab jetzt diesen klugen, körperbehinderten Andreas. Der arbeitete in einer Selbsthilfefirma für Körperbehinderte. Dort gab es einen Mann in seinem Alter: Volker Weber. Der hatte zwei behinderte Kinder. Er war gläubiger Christ. Da erzählte ihm der kluge Andreas, dass doch mit Teufelsaustreibung alles weggeht. Und er merkte überhaupt nicht, wie dieser arme Mann mit den zwei behinderten Kinder leiden musste unter seiner Weisheit. Er hatte aber noch ein anderes Problem. Volker Weber, der gläubige Christ ging in den AVJM. Dort war er schwer aktiv. Und er war gut anerkannt. Als das erste behinderte Kind auf die Welt kam, stieg das Selbstbewusstsein dieses AVJM enorm. »Der Herr hat uns verschont, und diesen Volker bestraft.« Beim zweiten behinderten Kind stieg das Selbstbewusstsein des AVJM noch mehr. Und Volker wusste nicht mehr ein noch aus. Und dann dieser blöde Andreas, der ja nur von seinem Lieblingsaudiokassettenbibellehrer quatschte und nicht begriff, wie er diesem armen Vater eigentlich wehtat. Dieser Andreas flippte in der Firma ständig aus, bekam Psychosen, und realisierte überhaupt nicht, dass sein Gerede nur Schmarrn war. Dieser Andreas war eben doch nicht der Gescheiteste. Volker war gefrustet.

In der Firma war auch eine Sekretärin des WWG. Sie war laut Kartei das 2621. Mitglied der WWG. Sie hieß Frau Winter. Sie nahm Volker zur Seite: »Lieber Volker. Warum hast du behinderte Kinder? Bist du nicht wiedergeboren? Zahlst du nicht deinen Zehnten? Du rennst hier rum wie der Hiob Weberli. Du musst zum Robinhood Weberli werden. Die unterdrückte Christenheit muss befreit werden von dem blöden Andreas, der nur die wahren wiedergeborenen Christen verfolgt.« So wurde Weberli zum Robinhood Weberli, und kämpfte für die unterdrückten Christen. Schließlich wurde er sogar Betriebsrat. Denn die ganze Führungsebene war wiedergeboren in dieser Firma. Nur der Abteilungsleiter, der im Rollstuhl saß, war nicht wiedergeboren. So erregte dieser die Wut des wiedergeborenen Chefs. Nun hatte aber dieser arme Abteilungsleiter immer wieder vom Andreas gehört, wie schlimm die wiedergeborenen Christen seien. So wurde eine Front gemacht zwischen den wiedergeborenen Christen und den normalen Menschen der Welt.
Auf der einen Seite der gescheite Andreas, der meinte, dass Behinderung durch Teufelsaustreibung weggehe, und der das Mitleid von den nicht wiedergeborenen Christen bekam, und damit die Front stärkte zum Betrieb.
Auf der anderen Seite die arme Frau Winter, die immer wieder vom bösen Andreas angegriffen wurde, der immer wieder psychotisch, weil er diesen Unsinn immer noch glaubte.
Aber das tragischste an Frau Winter war ja, dass sie das 2621. Person war, die als WWG-Mitglied registriert worden war. Das wurde ihr nachher dann gewaltig zum Verhängnis.

In den nächsten Predigten jammerte Reiner Benz immer wieder davon, wohin er denn in den Urlaub fahren sollte, wo ihm doch die ganze Gemeinde nachfolgte, wie ehedem das ganz Volk Jesus Christus. Einmal hatte er eine wahre Begegnung mit Jesus Christus in seiner Pracht und Herrlichkeit. Und Jesus fragte Reiner Benz: »Es ist doch eigentlich Barmherzigkeit wichtiger als Schlachtopfer. Denk an den halbtoten Menschen auf dem Weg in der Geschichte vom barmherzigen Samariter. Den ließen die Frommen liegen.« Darauf antwortete Reiner Benz: »Hätte dieser halbtote Mensch seinen Zehnten bezahlt, wäre er um zehn Prozent weniger beraubt worden und Gott hätte ihn gesegnet.«

In der nächsten Predigt am Sonntag ging es wieder um die neueste Form der Evangelisation, und darum, dass er nicht wusste, wie er seinen Urlaub verbringen sollte, ohne dass ihm die ganze Gemeinde nachfolgte. Reiner Benz war vollends überzeugte, dass Jesus keine Gabe der Evangelisation gehabt hatte. Daher brauchte er trickreiches Konzept: das mit den vier Ćs. Mit dem Zehnten, und mit dem, wodurch seine ganze Gemeinde gesegnet worden war. Reiner Benz war der Meinung, Jesus Christus wusste nicht, wie man zum Segen kommt. Deshalb wurde er auch gekreuzigt. Deshalb war Reiner Benz der felsenfesten Überzeugung: wenn Jesus ihn, Reiner Benz, als Evangelisationsberater gehabt hätte, dann wäre er nicht gekreuzigt worden.
Reiner Benz las ja auch gelegentlich die Stelle in Mt 7, in der Jesus zu Propheten und solchen, die in seinem Namen Dämonen ausgetrieben hatten, gesagt hatte: »Ich kenne euch nicht.«
Reiner Benz war trotzdem felsenfest überzeugt, dass seine Methode die Welt wieder zu Jesus bringen würde. Dann müsste Jesus endlich einsehen, dass Reiner Benz der fähigere Evangelist ist.

Nun ging es langsam dem Sommer entgegen. Es wurde wärmer und Reiner Benz wusste nicht, wohin in den Urlaub, ohne dass ihm die ganze Gemeinde folgte. Da kam er auf die Idee: »Fahren wir doch auf der Queen Mary 2 und nehmen uns das teuerste Appartement. Es kostet 10.000 Euro. Wir werden doch alle zum Zehnten-Evangelium führen, und so kommt das Geld wieder tausendfach zurück. So buchten sie eine Reise auf der Queen Mary 2, teuerste Suite. Diesmal war Familie Benz sicher, dass ihr kein Gemeindemitglied folgen würde. Aber wie es der Zufall so wollte, buchte die ganze Gemeinde auf der Queen Mary 2. Nur das 2621. Mitglied buchte zu spät: Frau Winter. Das Reisebüro bot ihr ein früheres Schiff an, auf dem sie den russischen und den amerikanischen Präsidenten antreffen würde. Führe sie aber ein Schiff später, hätte sie das ganze Schiff für sich. Doch die Fahrt, die Frau Winter wollte, war komplett ausgebucht. Frau Winter war sehr traurig; auf dem Weg nach Hause übersah sie einen Bahnübergang und wurde vom Zug erfasst. Sie war sofort tot. So sah sie die Herrlichkeit Gottes. Völlig erstrahlend sah sie die Herrlichkeit Gottes. Und bekannte sofort: »Ich war Märtyrerin in einer Behindertenwerkstatt.« Doch der gütige Gott fiel aus allen Wolken. Denn er kannte alle seine Märtyrer, die hatte er im Kopf. Aber eine Märtyrerin in einer Behindertenwerkstatt, das war ihm fremd. Frau Winter wurde in einen Seitenraum geschickt, der ganz prächtig aussah. Dort blieb sie 14 Tage. Dann wurde sie wieder zu Gott geführt. Der weinte bittere Tränen und sagte: »Liebe Frau, bei welcher Gemeinde warst du denn? Wir finden diesen Märtyrerfall nicht.« Strahlend sagte sie dann: »Ich war bei Reiner Benz«. Gott fiel erneut aus allen Wolken. »Bei Reiner Benz! Den kennen wir hier nicht. Aber liebe Frau, ich kann dich nicht in der Hölle brennen sehen. In deiner Jugend fand ich einen Moment, an dem du zu mir kamst. Ich hab aus deinen Akten gesehen, dass du eine gute Verwaltungsfachkraft bist, also gehe in das himmmlische Ministerium für Märtyrerei und lerne dort, was Martyrium ist.« Nach ungefähr dreihundert Jahren beherrschte Frau Winter diese Abteilung perfekt. Sie wurde dann die Leiterin für Märtyrer-Aufgaben.

Reiner Benz hatte sich indes auf der Queen Mary 2 in seiner prächtigen Suite eingerichtet. Er legte sich schlafen. Gottseidank ist ihm niemand gefolgt. Er schlief bei seiner Frau und hatte den schrecklichsten Traum seines Lebens. Jesus begegnete ihm und sagte ihm, dass er nur Leute ausbeutet, die Kranken demütigt, und eigentlich nur für das Geld da ist.
Reiner Benz hatte dann im Traum die ewige Hölle und das Feuer. Doch dann schwankte alles: das Schiff lief aus. Seine Frau weckte ihn und sagte: »Die machen hier alle Lobpreis.« Was war geschehen? Die ganze Gemeinde war an Bord-bis auf Frau Winter. Das war ihm natürlich jetzt peinlich. Und es kam heraus, dass der Benz die beste Suite hatte. Seine Frau gab ihm dann Kraft und zeigte ihm: »Schau, bei Jesus, dem dummen Brötchenbäcker, gab es nur Fische und Brot. In deiner Gemeinde kann sich jeder eine Reise auf der Queen Mary 2 leisten. Er muss irgendwann mal begreifen, dass deine Evangelisation die Beste ist.« Und trotzdem kam bei Reiner Benz keine Stimmung auf. Er war bedrückt. Die Gemeindemitglieder starrten ihn an. Es kam keine Freude auf. Dann kam einer der Ältesten zu ihm und sagte: »Reiner, wir müssen wieder mit den vier Ćs anfangen: Charismatik-Cash-Chaos, und vielleicht dann mal Christus.«
»Genau, das machen wir jetzt!«, und er begann sein System Charismatik-Cash-Chaos einzuführen: doch jetzt wurde es wirklich bitterböse ironisch. Und zwar begann Reiner Benz genau zu der Zeit, als unser Schiff, die Queen Mary 2, den Atlantik befuhr. Es war genau die Nacht vom 15. auf den 16. April 2012: der hundertste Jahrestag des Unterganges der Titanic. Reiner Benz hielt wieder eine Predigt, und das ganze Schiff fing an, zu lachen. Es wurde gelacht. Es wurde getollt. Es wurde gelallt. Dass es nur so krachte. Und die Crew der Queen Mary 2 meldete es dem Kapitän. Der Kapitän wusste nichts zu tun, waren doch alle Passagiere wahnsinnig geworden. Der Kapitän hatte einen Schiffsgeistlichen, mit dem er sich gar nicht gut verstand. Der Kapitän war Atheist. Doch in dieser Nacht wurde er der Erste, der sich durch Reiner Benz zu Jesus Christus bekehrte. Es brach eine Panik unter der Besatzung aus. Die Passagiere werden wahnsinnig. Kurz entschlossen stoppte der Kapitän das Schiff. Er sah zur einen Seite auf die Uhr, auf der anderen auf den Kompass. Er hatte beides klar im Auge. Er befahl: »volle Kraft zurück.« Nun geschah das Unglaubliche. Die Queen Mary 2 bremste zur gleichen Zeit und an der gleichen Stelle, wo die Titanic einst den Eisberg gerammt hatte. Da stoppte nun die Queen Mary 2. Genau um 23:45 Uhr. Der Kapitän ging auf die Knie und betete: »Herr, was willst du mir dazu sagen?« Der atheistische Kapitän war käseweiß, und die halbe Mannschaft auch. Sofort befahl der Kapitän, den Bordgeistlichen zu holen. Dieser stand seit dem Auslaufen der Queen Mary 2 so neben sich, dass er nicht aus seine Kajüte herauswollte. Er schlief Tag und Nacht. Dann schickte der Kapitän nach Reiner Benz. Er sollte auf die Brücke kommen. Doch der lag unterm Tisch und sang »Vater des Lichts«. Das Schiff stoppte. Alle Passagiere, betrunken im Geist, kamen an Deck. Genau 100 Jahre zuvor sang man »Näher mein Gott zu dir.« Was sang man 100 Jahre später?

»Vater des Lichts. Du freust dich an deinen Kindern. Alles was gut und vollkommen ist, das sind wir.«

Alle Passagiere lachten und sprangen über Bord. Es war ein gewaltiges Gekreische auf dem Nordatlantik. »Toronto auf dem Nordatlantik.« Man hörte das Gelächter der wahnsinnig gewordenen Passagiere. Einige sangen Vater des Lichts, andere kreischten, wieder andere schrieen. Niemand wusste eigentlich, was los war. Der Kapitän schoss die Notsignale ab, rot und blau. Ein Walfänger kam herbei, um die Schiffbrüchigen an Bord zu nehmen.
Doch im Unterschied zur Titanic wusste hier jeder, was zu tun war. Alle Rettungsboote waren vorhanden. Es gab das Notsignal. Und zahlreiche Schiffe nahmen Kurs auf die Position der Queen Mary 2. Durch die Erderwärmung gab es zu dieser Zeit keine Eisberge. Im Wasser konnte man nicht erfrieren. Es gab also genug Schiffe für die Schiffsbrüchigen, um sie an Bord zu nehmen. Allerdings wusste keiner, wie man mit lachenden, wahnsinnig gewordenen Passagieren umgehen sollte. Das wusste kein Mensch. Der Walfänger drehte ab, weil dessen Kapitän befürchtete, die Schiffbrüchigen könnten sein Netz zerreißen und den Walfänger zum Kentern bringen. Es waren ja über 2000 Leute. Dann kam das Kreuzfahrtschiff Berlin. Doch auch dort wusste niemand, wie man mit wahnsinnigen Schiffbrüchigen umgeht. Kurz entschlossen war dessen Kapitän Leinen aus. Die Schiffbrüchigen hielten sich fest und wurden nach New York geschleppt.

Dort gab es wieder eine Untersuchungskommission. Genau 100 Jahre nach Untergang der Titanic. Man sah ja, dass alle Rettungsmittel da gewesen waren, doch hatte niemand gewusst, wie mit wahnsinnigen Schiffbrüchigen umzugehen war. Alle Lehren aus den Erfahrungen mit der Titanic waren erfüllt: Es gab Rettungsboote. Die richtigen Signale wurden abgesetzt. Ausreichend viele Schiffe waren zugegen. Niemand aber wusste, wie man mit diesen Passagieren umgehen sollte. Man gab eine Erklärung über das Kreuzfahrtschiff Berlin ab, und bezeugte ihrem Kapitän, alles richtig gemacht zu haben. Dies ging später als »2. Berliner Erklärung« in die Geschichte ein.

Und es kam es zu einer zweiten Untersuchung. In dieser lachten die Untersuchungsvorsitzenden, die Anwälte und Richter über diesen Vorfall. Worüber wurde gelacht? Nicht etwa über die wahnsinnig gewordenen Charismatiker. Nein, es wurde über den lebendigen Gott gelacht. Der offenbar nur noch Anhänger hatte, die auf dem Atlantik herumtollten, und dadurch die zweite Katastrophe nach der Titanic ausgelöst hatten.
Trotzdem, jeder der den Namen Queen Mary 2 hörte, wurde starr vor Schreck, denn man wusste, es ist die zweite Titanic, die nicht unterging. So wurde die Queen Mary 2 zurück nach Southampton gebracht und dort vertäut, wo einst die Titanic ausgelaufen war. Keiner wagte sich mehr auf dieses Schiff.
So stand sie dort 100 Jahre. Sie rostete aber nicht, sondern blieb wie am Tage ihres Stapellaufs.
Nach diesen 100 Jahren kam ein Physiker. Er entdeckte dort eine Tränenflüssigkeit, die das Schiff haltbar gemacht hatte. Es waren die Tränen Gottes, die das Schiff konservierten.

ENDE.