Was wir gelernt haben


In den vergangenen 25 Jahren hat uns Gott in verschiedene Gemeinschaften geführt und wir durften ganz verschiedene Systeme des Gemeindebaus kennen lernen. Leider ist an vielen Orten eine gewisse Person oder eine bestimmte Lehre wichtiger geworden als das Wort Gottes und das Höchste Gebot der Liebe.

Ich bekehrte mich 1979 während eines Sprachaufenthalts zu Jesus ohne Kenntnis der Bibel, sondern durch das liebevolle Zeugnis von Geschwistern in einer kleinen Bibelgruppe. Das war eine sehr schöne Zeit in meinem Leben. Bei meiner Rückkehr nach Hause wurde ich aber schon bald mit den Streitigkeiten unter den Christen konfrontiert.

Die Enttäuschung darüber veranlasste mich und meinen Verlobten 1982 zu einer Gruppe junger Gläubiger zu ziehen. Diese wollten es besser machen als alle anderen. Sie waren begeistert von dem System des Hirtendienstes, welches uns wegen unserer mangelnden Erfahrung und fehlenden biblischen Kenntnisse zu Beginn auch einen guten Eindruck machte. Jeder hatte einen Seelsorger, dieser wiederum hatte auch wieder einen, so dass das ganze Pyramidenförmig aufgebaut war bis hinauf zum Gemeindeleiter. Wir alle wollten aufrichtig Gott dienen, aber durch dieses System schlich sich schon bald der Machtmissbrauch ein. Das Beichtgeheimnis wurde nicht gewahrt und die Frauen hatten eine niedrige Stellung.

Wir haben in dieser Gemeinschaft 1984 geheiratet. Leider besass aber der Hirte (Seelsorger) viel Macht über das Leben des Einzelnen, man war ihm Rechenschaft schuldig bis in die intimsten Details des Lebens hinein, sogar des Ehelebens. Es wurden viele Menschen in dieser Gemeinde verletzt. Heute wissen wir, dass der Herr uns persönlich zur Mündigkeit im Glauben erziehen möchte und dass wir nicht von Menschen abhängig werden dürfen.

Wiederum aus Enttäuschung über das Erlebte gingen wir 1989 in die USA, die Heimat meines Mannes. Dort erfuhren wir was es heisst, erweckte Gemeinschaft zu haben. Es herrschte damals in einer bestimmten Gemeinde eine Sehnsucht nach der Nähe des Herrn und eine Liebe zueinander, wie wir es seither nie mehr erlebt haben. Diese Erfahrung hat uns im Nachhinein sehr geprägt. Wenn wir dieses Erlebnis mit anderen vergleichen, ist uns heute klar, was wir in den Mittelpunkt unseres Glaubenslebens stellen sollten.

1991 kehrten wir in die Schweiz zurück. Es ging uns schon längere Zeit nicht sehr gut, unsere Vergangenheit holte uns ein und wir hatten massive Eheprobleme. Aus dem Bedürfnis heraus, unser Leben vor Gott ganz in Ordnung zu bringen, haben wir uns einer Missionsgesellschaft angeschlossen, die fast ausschliesslich Busse und Heiligung predigte. Das Gute daran war, dass wir unser Leben gründlich aufarbeiten konnten. Durch das regelmässige Aufsuchen eines Seelsorgers sollte man Hilfe dabei erhalten, die Heiligung auch zu leben. Mir hat es anfangs tatsächlich sehr geholfen.

Es wurde aber in dieser Gemeinschaft ein sehr strenger Massstab der persönlichen Heiligung angelegt, den ich nie erfüllen konnte. Auch die Kinder hatten sich diesen Normen zu beugen. Dies wurde durch Androhen von Hölle und Teufel sowie Schlägen getan. Wir sind nach zwei Jahren ausgetreten, weil wir erkannten, dass wir in unserem Leben mit Gott nicht weiterkamen. Ich hatte zeitweise meine Heilsgewissheit verloren und auch unsere Kinder litten sehr unter dem Erlebten. Erst kürzlich konnte unser ältester Sohn seine Angst ablegen, dass er Jesus nicht genügt. Auch ich habe jahrelang mit Angst gekämpft, dass ich zu wenig heilig sei und Jesus mich deshalb verstösst. Heute wissen wir, dass Jesus uns liebt und dass die Erlösung aus Gnade und durch Glauben ist. Sie kann nicht durch unsere persönliche Heiligkeit erlangt werden. Die Heiligkeit ist keine Voraussetzung, sondern eine Frucht unseres Wachstums im Glauben, und wird während unseres Lebens hoffentlich immer mehr zunehmen.

Wir versuchten es ein halbes Jahr später mit einer grossen Brüderbewegung. Wir brauchten Liebe und Anleitung. Damals wurde diese Gemeinschaft noch von den alten Brüdern beherrscht, von denen viele sehr autoritär regierten. Natürlich haben wir auch viele liebe und aufrichtige Christen kennen gelernt. Es galt jedoch, bestimmte Gesetze einzuhalten, da man Angst davor hatte, die Gläubigen könnten sich mit der Welt beschmutzen. Das berechtigte Anliegen verlor sich deshalb in Äusserlichkeiten. So mussten z.B. die Frauen lange Haare haben und diese aufstecken. Sie durften keine Hosen sondern nur Röcke tragen. Die Männer durften keinen Bart haben und keine Jeans-Hosen tragen. Für Kinder und Jugendliche galten ähnliche Regeln.

Man durfte nicht ins Kino, keinen Fernseher oder Videorekorder haben, nicht auf den Jahrmarkt oder in den Zirkus gehen. Die Kinder durften keine Schullager besuchen, es wurde aber von ihnen erwartet, dass sie sich in den drei Wochen der Unterweisung, die sie mit ungefähr 16 Jahren besuchen mussten, bekehren. Da also durch eine falsche Interpretation von einigen wenigen Bibelstellen eine solche Betonung auf die persönliche Askese gelegt wurde, konnte diese Gemeinschaft kaum noch ihrem göttlichen Auftrag gerecht werden, in dieser Welt zu leben und dadurch Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Für unsere Kinder war es sehr schwer, die langweiligen Gottesdienste abzusitzen.

Leider waren es ausschliesslich die leitenden Brüder, die darüber entschieden, ob jemand für die Mission oder zum Predigtdienst berufen war. Aus diesem Grund wurde eine ganze Generation übersprungen, weil die leitenden Brüder es einfach nicht auf dem Herzen hatten, jemanden nachzuziehen bzw. anderen Geschwistern die Gelegenheit zu geben, in eine solche Berufung hinein zu wachsen. Ich glaube heute noch, dass das nicht der richtige Weg ist. Es ist eine Bevormundung, die das natürliche Wachstum der Gläubigen hindert und uns nicht erlaubt zu lernen, persönlich die Stimme Gottes und Seinen Ruf in unserem Leben zu hören.

Viele der Geschwister in dieser Gemeinde konnten oder wollten sich Fremden gegenüber nicht öffnen, so dass wir nie ganz den Anschluss fanden. Vielleicht wenn wir zehn Jahre lang den Gottesdienst treu jeden Sonntag besucht hätten, hätten sich mehr Leute für uns geöffnet. So war das in dieser Gemeinschaft nämlich Sitte.

Wir haben uns in dieser Zeit immer mehr von der Gesetzlichkeit wegbewegt. Wir glauben, der Herr will, dass wir mündig werden und die Liebe leben, wie sie Jesus vorgelebt hat. Wir müssen eigentlich nur ein Gebot zu erfüllen, nämlich das Gebot der Liebe. Zudem soll niemand über unseren Glauben herrschen, wie es in solchen Gemeinschaften manchmal der Fall ist.

Wir versuchten es noch für drei Jahre in einer kleinen Brüdergemeinde. Aber dort hat uns sehr bald die Enge und die Angst bedrückt, die auch in dieser Gemeinschaft herrschte. Die Angst, dem Feind zu viel Raum zu geben, äusserte sich in vielen kleinen Geboten. Zum Beispiel durfte man keine Weihnachten feiern, keine Ostereier suchen an Ostern, keine modernen Anbetungslieder singen, keine Geistesgaben praktizieren, und so fort. Statt die Freiheit im Herrn und seine Liebe und Gnade in den Mittelpunkt zu stellen, war es mehr die Angst vor dem Feind und seinen Machenschaften, die das Leben bestimmten. Gemäss unserer Erfahrung führt eine solche Einstellung zu einem von Menschen abhängigen und ängstlichen Christentum, anstatt zu einem erfüllenden und befreienden.

Wir bezeichnen uns heute nicht als Charismatiker. Wir betonen die Geistesgaben nicht, wir lehnen sie aber auch nicht ab. In der soeben erwähnten Brüdergemeinde wurde gelehrt, dass diese Gaben mit dem Tod der Apostel aufgehört haben (Dispensationslehre). Wir haben keine Mühe mit einer solchen Lehre, noch damit, wenn jemand anders darüber denkt. Es ist nur schade, wenn solche Lehren plötzlich wichtiger wird, als das, was der Herr in Seinem Wort eigentlich herausstreichen möchte. So schnell werden doch die biblischen Prioritäten falsch gesetzt.

Wir selber durften zu dieser Zeit immer mehr erleben, in was für eine Freiheit uns der Herr führen wollte. Einige dieser Freiheiten stiessen aber bei den anderen leitenden Brüdern auf Widerstand. Wegen einem kontroversen Jugendroman, den wir damals mit unseren Söhnen zusammen lasen und besprachen, kam es dann soweit, dass mein Mann vor den Brüderrat zitiert und von den anderen Brüdern bearbeitet wurde. Nach diesem Erlebnis haben wir uns entschlossen, diese Gemeinde nicht mehr zu besuchen.

Jetzt sind wir seit vier Jahren nirgends mehr fest dabei. Die Wunden in unserer Familie heilen langsam und wir haben mit lieben Leuten in verschiedenen Gemeinden Kontakt. Unsere Erfahrung ist, dass vielerorts ein System, eine Lehre oder eine Person wichtiger wird als Jesus und Sein Gebot der Liebe. Unser Wunsch ist immer noch, mit Menschen Gemeinschaft zu haben, die Jesus lieben. Wir behalten uns aber vor, alle Aussagen von Menschen zu prüfen. Der Wahrheit, so wie wir sie selber von Gott her erkennen können, ordnen wir uns gerne jederzeit unter.

Durch die von uns gemachten Erfahrungen ist unser Glaubensbekenntnis sehr einfach geworden. Wir sind heute bereit, mit allen Geschwistern Gemeinschaft zu haben, die sich zu den drei heilsnotwendigen Lehren des Christentums bekennen:

1) Glaube: Die Gottheit Jesu Christi

2) Hoffnung: Die Auferstehung des Herrn

3) Liebe: Die Erlösung aus Gnaden durch den Opfertod unseres Herrn Jesus

Die Grösste unter diesen aber ist die Liebe: das Höchste Gebot. Ist es nicht seltsam, dass es bei den vielen Streitigkeiten unter den Christen kaum einmal um diese drei Punkte geht? Warum können wir uns denn nicht einfach an die Fundamente unseres Glaubens halten und wieder den Herrn und Sein Gebot in den Mittelpunkt stellen?

Vieles von dem, was wir erlebt haben, habe ich in diesem kurzen Bericht nicht mitgeteilt, weil Freunde und Bekannte davon betroffen sind. Ich hoffe aber, dass dieser Bericht trotzdem einigen Menschen hilft, sich von missbräuchlichen Strukturen zu lösen und zu einem erfüllenden und befreienden Christentum zurückzufinden.

Ganz liebe Grüsse und Gottes Segen

Rita