Meine Geschichte
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Heidi Dallmeier
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Schatten an der Wand
Weiche! schreit der Pastor und ich fahre vom Schlaf hoch. Nicht schon wieder
dieser Traum. Immer wieder holt er mich ein. Ich bekomme eine Gänsehaut die
am Kopf anfängt und mir über den Rücken runter läuft und gleichzeitig habe
ich das Gefühl immer noch beobachtet zu werden. Ist wer hier den ich nicht
sehen kann, greift mich dieses etwas an? Nein, sage ich mir, du musst damit
aufhören solche Dinge zu denken und die Schatten an der Wand ignorieren.
Meine Gedanken gehen zurück zu den Segnungsgottesdiensten die ich besucht
hatte und das waren viele im Laufe der Jahre.
Ich finde mich wieder im Lobpreis der heute besonders euphorisch ist, es
sind Kampfeslieder angesagt denn wir befinden uns im Krieg. Im Krieg gegen
den Feind. Der Feind ist der Teufel und ihn müssen wir bekämpfen mit allen
geistlichen Waffen und Mitteln die es gibt. Es wird gejubelt und lautstark
gejohlt wir haben den Teufel und seine Helfer unter unseren Füßen. Unser ist
der Sieg nichts und niemand kann ihn uns nehmen. Die Stimmung steigt und
einige fangen das Tanzen an, andere klatschen und stampfen mit den Füßen und
die Stimmung im Saal kocht über. Der Pastor schreit nun durchs Mikrofon und
alle schreien zurück. Wer hat den Sieg? Alle schreien Jesus, Jesus, Jesus
und er schreit wieder wer hat den Sieg? Und wieder schreien alle Jesus
zurück. Der Pastor stimmt nun das Lied "Steh auf in dem Namen Jesus" an und
alle singen mit: "Singt und tanzt im Triumphzug unseres Herrn denn er hat
alle Feinde besiegt, er hat alle Feinde besiegt!"
Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt angekommen und alle sind sich ohne ein
Wort einig heute wird es ein Schlachtfest beim Feind geben. Heute müssen
Mächte weichen und man wird frei werden von seinen Belastungen. Wie viel
Hoffnung und Erwartung spiegelt sich in den Gesichtern und Augen der
Gemeindemitgliedern wieder. Heute werden Kranke geheilt werden und dies ist
der Tag den der Herr gemacht und alles wird endlich gut sein.
Doch zuerst gibt es die Predigt und auch diese ist gespickt mit
Kampfansagen. Der Pastor gibt seine ganzen Eindrücke wieder die er während
des Lobpreises schon hatte und prophezeit über einigen Leuten. Alle sind
gespannt was wird wohl passieren nachdem, sich der Herr schon vor dem
eigentlichen Gebet so offenbart? Der Pastor erzählt lang und breit in seiner
Predigt wie er zu dem heutigen Thema gekommen ist und das er eine Vision
hatte. Er hat einen Engel gesehen der mit dem Teufel gekämpft hat und der
Engel hat gesiegt und da hat Gott zu ihm gesprochen, daß er heute ganz
besonders für die stark belasteten beten soll, denn heute ist der Tag an dem
sie von ihren Dämonen frei werden sollen.
Mich friert und ich habe jetzt schon Angst, denn auch ich gehöre zu diesen
Leuten die so stark belastet sind. Oh mein Gott was habe ich nicht alles für
Dämonen? Nazidämonen, Angstdämonen, Minderwertigkeitsdämonen
und Ablehnungsdämonen die Liste ist lang und ich kann sie gar nicht alle aufzählen.
Ich denke mir, Gott wirst du mich heute davon frei machen? Von allen auf
einmal? Damit ich nie mehr Gebet deswegen brauche? Am liebsten würde ich gar
nicht vorgehen, doch das ist bestimmt auch wieder so ein Dämon der mich
davon abhalten will, dass ich frei werde! Also zwinge ich mich dazu.
Der Pastor ruft die Leute die sich angesprochen fühlen nach vorne und viele
gehen in die Richtung zur Bühne, dort angekommen stelle ich mich neben
jemand anderes hin und schaue mit einem vorsichtigen Blick einmal rüber wer
da alles neben mir steht. Der Person neben mir geht es nicht anders und wir
lächeln uns scheu an und schauen sofort wieder gerade aus, denn das ist
gefährlich, es könnte ja mein Dämon auf sie überspringen oder umgekehrt und
dann hätte ich noch einen mehr. Wenn ich es mit Humor sehen würde, könnte
ich ja sagen was Solls auf einen mehr kommt es nicht an! Aber was weiß ich
was die für Dinger hat, Nein Danke die soll sie schön für sich behalten.
Der Pastor kommt näher und ich höre was er für jemanden anderes betet, Neid
und Stolz müssen weichen auch der Hochmut und die Hexenmächte die Person
fällt um und fängt zu schreien an. Das klingt so unmenschlich grausam, dass
ich mir fast in die Hosen mache vor Angst. Was wird bei mir sein? Muss
dieser Dämon auch mit schreien ausfahren oder was wird der mit mir nur
machen und was ist, wenn er nicht raus will? Wieder überlege ich ob ich
nicht lieber gehen soll? Aber ich sage mir: "Nein Emmily das hältst du aus,
du willst schließlich frei werden und wenn du nach Hause gehst bist du ein
gereinigter Tempel Gottes!"
Langsam kommt der Pastor näher und nun steht er schon neben mir und dann ist
er bei mir angekommen. Er schaut mir lange in die Augen und fängt dann das
beten an. Er spricht unverständliches vor sich hin und legt mir die eine
Hand auf meinen Kopf und die andere oberhalb meiner Brust, ich habe ein
unangenehmes Gefühl dabei und würde ihm am liebsten die Hand oberhalb meiner
Brust wegnehmen, doch er ist ein Mann Gottes und wie kann ich ihm nur
irgendwelche schlechten Dinge unterstellen? Er wird schon wissen was er tut!
Da schaut er mich auch schon wieder an und sagt mit lauter Stimme: "Weiche
du Dämon der Wahrsagerei hebe dich hinfort und du Ablehnung fährst auch
gleich mit aus!" Mir geben die Beine nach ich falle auf meine Knie, die
Angst in mir steigert sich von Sekunde zu Sekunde ich habe einen Kloß im
Hals und kann fast nicht mehr Atmen. Der Pastor gebietet weiter, ich habe zu
dir gesagt, dass du weichen musst und du fährst nun aus im Namen Jesus.
Jetzt bekomme ich einen Hustenanfall nach dem anderen und muss mich dazu
auch noch übergeben. Der Pastor schreit, seht wie sich Gott hier
verherrlicht, was habe ich gesagt heute ist der Tag an dem die Dämonen
weichen müssen. Das Gebet wird nun leiser und erschöpft sinke ich nach
hinten auf dem Boden, es wird mir empfohlen noch liegen zu bleiben und mich
von dem Kampf zu erholen. Der Pastor segnet mich noch und geht weiter zur
nächsten Person.
Müde von diesem Kampf stehe ich auf und setze mich auf meinen Stuhl. Ich
fühle mich leer und ausgebrannt doch gleichzeitig bin ich froh, dass es
vorüber ist zumindest bis zum nächsten Gebetsaufruf und da muss ich dann
auch wieder nach vorne gehen, sofern er mich betrifft. Heimlich denke ich
mir, nur das nicht.
Als ich mich gerade etwas entspannt habe kommt es noch schlimmer als
erwartet. Der Pastor steht vorne ganz allein und schaut mich an und dann
sagt er: "Emmily komm doch noch einmal nach vorne, Gott hat mir noch etwas
gezeigt und dafür will ich auch noch beten!" Ich denke oh Nein, nicht vor
der ganzen Gemeinde, jeder wird auf mich schauen und was ist, wenn ich noch
verrücktere Sachen mache als eben? Mit Pudding in den Knien erhebe ich mich
und gehe langsam zu ihm hin, in der Zwischenzeit fordert er die Leute auf
(es dürften so um die 200 sein) jetzt ganz besonders kräftig mitzubeten denn
das hier ist jetzt ein echter geistlicher Kampf. In meinem Körper macht sich
ein taubes Gefühl breit und ich nehme alles nur noch wahr als ob ich mich
unter Wasser befinden würde. Irgendwie erscheint mir alles total unwirklich
und das was jetzt passieren wird, geschieht nun einer anderen Person. Ich
bin angekommen und das Ritual der Handauflegung geht von vorne los, er
schaut mich an und sagt mir, dass er den Dämon schon in meinen Augen sehen
kann und ich denke was habe ich bloß noch alles in mir.
Der Pastor entschließt sich bei diesem ganz besonders schlimmen Dämon mich
mit Öl zu salben, er malt mir ein Kreuz auf die Stirn und entscheidet für
sich, dass das nicht genug ist und schüttet mir das restliche Öl aus der
Flasche über den Kopf. Die Person in mir denkt sich, wie soll ich das nur
wieder aus meinen Haaren rauswaschen, doch es geht schon weiter. "Schau mir
in die Augen Emmily, eigentlich will ich das gar nicht doch wenn ich es
jetzt nicht tue wir es noch schlimmer werden.
Schau mich an du Dämon du bist eine Hexenmacht und ich gebiete dir jetzt
auszufahren und zwar sofort. Ich stehe da und schwanke hin und her, um mich
herum nehme ich das Murmeln der Gemeinde wahr die alle gegen diesen Dämon in
mir beten. Der Pastor zischt mir ins Ohr, wenn du dich weigerst umzufallen,
dann ist das Rebellion gegen Gott und ich denke mir dann falle ich halt um
und falle um wie ein gefällter Baum. Nun verlangt der Pastor, dass der Dämon
seinen Namen nennt und ich kichere nur blöd ich weiß auch nicht warum aber
ich kann nicht anders. Da schreit er, was du lachst mich aus du sollst die
Strafe Gottes kennenlernen und im Nu sind noch der Co - Pastor und die
Ältesten der Gemeinde da, sie stehen um mich herum und beten und gebieten
was das Zeug hält.
Ich denke so bei mir die machen sich doch lächerlich und da schreit mich der
Pastor an, Emmily komm hervor und sage mir was da los ist, ich verstehe
nicht ganz und wieder schreit er Emmily komm hervor und irgendwie dringt das
an meinen Verstand und ich komme so langsam zu mir, ich habe das Gefühl ich
war in Trance oder Hypnose und habe mich in mir selbst versteckt.
Ich schaue verständnislos von einem zum anderen und werde gefragt ob ich
diesen Hexendämon auch loswerden will, ich nicke nur denn so was möchte ich
auf keinen Fall behalten, es wird mir empfohlen zu beten und zu fasten und dann
könnte man beim nächsten Segnungsgottesdienst noch einmal beten.
Ich bleibe noch eine Zeitlang liegen und gehe dann zu meinem Stuhl zurück,
diesmal fühle ich mich noch schlimmer als das mal davor. Jetzt habe ich also
noch einen mehr und ich weiß gar nicht wie die alle in mich reingekommen
sind? Ich frage Gott ob ich jemals frei werden werde? Ich bin deprimiert und
suche nach den Ursachen dieser Belastungen. Was haben sie gesagt, dass dies
alles schon lange in meiner Familie sein würde! Ich Erbbelastungen habe und
Familiendämonen die von einem zum anderen wandern würden! Warum dann
ausgerechnet zu mir Gott und nicht zu meinen Schwestern? Ich beschließe für
mich beharrlich im Gebet zu bleiben und immer wieder für mich beten zu
lassen, denn irgendwann werde ich es geschafft haben und dann werde ich rein
sein und keine Belastungen mehr haben. Hoffe ich!
Ich gehe nach Hause denn für heute kann ich einfach nicht mehr, es war viel
zu viel und auf der Fahrt nach Hause habe ich das Gefühl, dass mich etwas
verfolgt. Die Geister die ich rief werde ich nun nicht mehr los. Ich renne
zum Hauseingang und versuche möglichst schnell in meine Wohnung zu kommen,
denn da ist mein Mann und meine Kinder und ich fühle mich fürs erste einmal
geborgen. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass ich auch hier beobachtet
werde. Ich muss unbedingt wieder für mich beten lassen?
30.1.2000
Verfasserin: Heidi Dallmeier (vormals Pseudonym Emmily)
Der Bericht nimmt Bezug auf die Immanuel Gemeinde Nürnberg.
Das Pastorenehepaar ist Ekkehard Höfig und Iris Höfig, der Co-Pastor Johannes Bartel.
Das ist eine Geschichte die ich während der Zeit meiner Aufarbeitung des geistlichen Missbrauchs geschrieben habe.
Wir sind jetzt über acht Jahre aus dieser Gemeinde ausgetreten und ich kann
sagen, dass ich mit Hilfe einer Psychotherapeutin das Ganze sehr gut
aufarbeiten konnte und auch den Mechanismus warum ich dies mit mir machen
lies, erkannt habe.
Wir waren von 1990 bis 1996 in einer sogenannten Evangelischen Freikirche,
so bezeichnet sie sich selbst. Allerdings gehört sie der Extrem
Charismatischen Richtung an und lehrt und lebt dies auch.
Diese Gemeinde gehört zu keinem Verbund, wurde von dem Pastorenehepaar
gegründet und ist deshalb keinem Rechenschaft schuldig.
Heute würde ich sagen, dass wir zur ersten Generation der geistlich
Missbrauchten in Deutschland zählen. Deswegen war der Weg aus der Gemeinde
auch besonders schwer.
Wenn ich mich an das erste Jahre nach dem Austritt zurück erinnere, dann
würde ich sagen, dass ich in einem Schockzustand lebte und vollkommen
traumatisiert war. In diesem Jahr starb auch noch vollkommen überraschend
meine Mutter, was das Ganze noch schlimmer machte.
Als ich das erste Mal und das hat wirklich ein Jahr gebraucht, darüber reden
konnte, bekam ich noch in der gleichen Nacht einen Hörsturz. Davon habe ich
heute noch einen Tinitus.
Doch bedingt durch diesen Hörsturz wurde ich zur Kur geschickt und dort
bekam ich psychologische Hilfe. Was dazu führte, dass ich heute mit mir und
dieser Zeit versöhnt leben kann.
Es begann eigentlich ganz harmlos. Ich bekehrte mich und meine Schwester die
mit ihrer Gemeinde für mich und meine Familie gebetet hatte, fragte eine
Freundin ob sie mich nicht mal mit in ihre Gemeinde nehmen könnte. Denn
meine Schwester ging zu dieser Zeit in eine Englische Gemeinde.
Wir gingen also mit und wurden ganz freundlich begrüßt und recht herzlich
aufgenommen.
Man interessierte sich für uns und unsere Probleme und versprach uns Hilfe.
Alles war neu für uns und wir hatten keine Vergleichsmöglichkeiten. Als
gerade Frischbekehrte die von nichts Ahnung hatten, waren wir natürlich
leichte Beute.
So nahmen wir alles auf und versuchten auch alles richtig zu machen, denn
wir wollten ja Gott gefallen.
Schon nach zwei Wochen bekam ich mit wie eine Frau öffentlich in einer
außerordentlichen Gemeindeversammlung denunziert wurde. Das machte mir
natürlich Angst und ich hoffte, dass mir das nie passieren würde. Die Frau
wurde von der Gemeinde ausgeschlossen. Die sogenannte Gemeindezucht wurde
vollzogen und es sollte niemand mehr mit der Frau reden.
Ich war in dieser Zeit der sogenannte Sieg über den Feind. Denn ich hatte
jahrelang in der Esoterik gelebt und diese auch praktiziert.
Aus diesem Grund mussten mir sämtliche Dämonen ausgetrieben werden die ich
in mir hatte. Ich verstand zwar nicht warum? Doch ich vertraute diesen
Menschen, die ja wussten um was es ging. Die Gebete wurden derart viel, dass
ich mich manchmal wirklich selbst für einen Dämon hielt.
Ich befürchtete ich würde den Verstand verlieren, wenn das nicht aufhören
würde. Ich befand mich in einer Zwickmühle, auf der einen Seite wollte ich
frei werden, auf der anderen Seite merkte ich, dass ich langsam aber sicher
unter Verfolgungswahn litt.
Dann wurde ich mit meinem dritten Kind schwanger. Was mir eine Atempause
einbrachte, denn meine Schwangerschaften waren am Anfang immer nicht so
stabil.
Ich musste also viel liegen und habe so von Gott eine Auszeit erhalten. Man
verlor etwas das Interesse an mir und ich bekam eine Seelsorgerin die sich
in Zukunft mit mir beschäftigen sollte.
Wir gingen in einem Hauskreis und fühlten uns eigentlich ganz wohl.
Dass meinem Mann von einem sogenannten Bruder gesagt wurde, dass ich eine
unmögliche Frau sei und wie er mit mir verheiratet sein könne, das erfuhr
ich erst viele Jahre später.
Ich versuchte mein Leben in vollkommener Heiligung zu führen.
Da ja eigentlich alles dämonisch war, was außerhalb der Gemeinde und des
Glaubens passierte, waren wir sehr darauf bedacht, dass nichts unheiliges
bei uns in der Wohnung war.
Wir warfen alle Schallplatten weg, wir warfen alle Bücher raus, Schmuck,
Spielzeug der Kinder, Gegenstände die dämonisiert sein konnten, wir warfen
alles weg.
Ich hörte keinen Radio mehr, wir schauten im Fernsehen nur was geistlich in
Ordnung war, denn der Fernseher war das Sprachrohr des Teufels.
Wir warfen die Bettwäsche unserer Kinder weg die Fantasiefiguren aufgedruckt
hatten. Wir warfen ihre Lieblingsspielzeuge weg und wir erzogen unsere
Kinder dazu darauf zu achten, dass sie nicht mit okkulten Dingen in
Berührung kamen.
Wir hielten nur noch losen Kontakt zu unseren Familien, denn von ihnen ging
ganz viel Gefahr aus. Sie waren ja keine Christen und hatten somit genug
Dämonen in sich, die sie jederzeit auf einem übertragen konnten. Natürlich
sorgte sich meine Mutter um mich und warnte mich vor dieser Sekte, doch ich
war schon derart gefangen, dass ich mir erzählen lies, dass dies ein
listiger Angriff des Teufels sei.
Unsere Gemeinde war das sogenannte Flagschiff in Deutschland. Schließlich
war sie in Nürnberg der Nazihochburg und von dort aus, würde die Erweckung
für ganz Deutschland beginnen.
Unsere Gemeinde hatte die führende Rolle in dieser Erweckung und so mussten
wir derart gestärkt den Kampf gegen die Mächte des Bösen antreten.
Es kamen viele Propheten in die Gemeinde, die dies bestätigten und uns dazu
aufforderten in diesem geistlichen Kampf zu bestehen.
Die Propheten kamen aus der ganzen Welt und alle hatten irgendwie die
gleiche Botschaft. Die Propheten die was anderes predigten, wurden hinter
her vom Pastor ausführlich kommentiert und es wurde alles richtig gestellt,
was angeblich falsch war.
Solche Propheten kamen nur einmal, die wurden nicht mehr eingeladen.
Heute frage ich mich manchmal wie ich in diesen Jahren alles unter einem Hut
brachte. Manchmal besuchte ich sechs oder sieben Veranstaltungen in der
Woche. Manche dauerten bis 1 oder 2 Uhr in der Nacht.
In all den Jahren lebten wir in einem Klima der Angst. Eigentlich bin ich
eine starke Persönlichkeit und ausgerüstet mit viel Humor.
Im Laufe der Jahre entwickelte ich mich immer mehr zu einer Person die
überhaupt kein zutrauen mehr zu sich hatte. Ich wurde irgendwie
gleichgeschaltet und konnte weder Freude, Wut oder sonst was empfinden.
Ich merkte, dass über mich geredet wurde, dass ich ausgegrenzt wurde und
dass ich irgendwie nie so richtig Anschluss fand. Das allerdings war nur ein
Gefühl, ich konnte es damals nicht benennen. So wie ich war, war ich nicht
Ordnung. Das wurde mir vermittelt. Also versuchte ich anders zu sein, mich
so zu machen, dass ich richtig war und das bis zu einem Punkt wo mir nur die
Möglichkeit blieb meine ganze Persönlichkeit aufzugeben.
Unsere Ehe war nicht Ordnung wie sie war. Ich war dominant, mein war Mann
laut der Gemeindeleitung das Weichei! Das musste sich ändern. Mein Mann
musste ab sofort der Dominante sein und ich hatte den Mund zu halten. Das
probierten wir wirklich. Es ging nicht gut, wir stritten nur noch und ich
hatte Frust, weil man Mann die Dinge, die ich mit links erledigt hätte,
nicht fertig brachte und er hatte Frust, weil er es nicht schaffte.
Ich war also schlecht. Meine Persönlichkeit stimmte nicht, meine Ehe stimmte
nicht und meine Kinder waren auch nicht gut erzogen, deshalb war ich auch
noch eine schlechte Mutter. Wir waren laut und vollkommen primitiv. Dass man
als Mutter von drei Jungen anders redet, als wenn man drei Töchter hatte,
das habe ich erst später begriffen.
Dann kam der Tag an dem ich meine erste Lektion erhielt. Ich hatte
vollkommen unbedarft bei einem gemeinsamen Grillen meine Wohnung für eine
Tupperparty zur Verfügung gestellt. Alle Frauen brauchten irgendwas und nur
meine Freundin lud ich selbst ein.
Wir hielten also eine Topsecret Tupperparty ab und nannten sie auch so, weil
wir alle niemanden erzählen wollten, dass wir dies gemacht hatten. Leider
hatte ich da die eine Person vergessen die mit beim Grillen war und die
alles haarklein der Pastorenfrau zutrug.
Ich bekam ein Gespräch und dieses Gespräch dauerte vier Stunden. Nach diesen
vier Stunden war ich vollkommen fertig und fühlte mich das erste Mal
missbraucht. Über diese und ähnliche Situationen habe ich eine Geschichte
geschrieben:
Die große blonde Frau
Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Wenn er aber kommt dann laufen wir davon!
Das war ein Spiel das wir als Kinder gerne gespielt haben und es hat uns
dabei immer ein bisschen gegruselt und das war der Kick an diesem Spiel.
Doch wenn man es in Wahrheit erlebt dann wird schnell Ernst aus diesem Spiel
und man mag es nicht mehr spielen.
Es ist 19.30 Uhr an einem Samstagabend. Ich stehe in der Gemeinde und warte
darauf, dass der Lobpreis anfängt. Nichts ahnend und auch nichts böses
denkend nehme ich an dem Gespräch um mich herum teil. Als mir plötzlich
jemand von hinten auf die Schulter klopft. Das Klopfen ist fordernd und mein
Herz fällt mir sprichwörtlich in die Hosentasche. Ich drehe mich herum und
da steht sie! Die große blonde Frau. Ihre Augen bohren sich in meine, sie
sind zu ärgerlichen Schlitzen geschlossen, ihr Atem geht stoßweise und mir
fällt dabei auf, dass sie einen unangenehmen Mundgeruch hat. Ich stehe da
und starre sie an, um mich herum sind die Gespräche verstummt und jeder
wartet darauf, dass die große blonde Frau zu sprechen anfängt.
Mit einer Stimme die ihre Macht demonstriert befiehlt sie mir nach dem
Gottesdienst auf sie zu warten. Ich stehe mit offenem Mund da und wage es
nicht ihr zu widersprechen, das einzige was ich tun kann ist mit dem Kopf zu
nicken. Schon geht sie weiter als wäre all das überhaupt nicht passiert und
nimmt ihren Platz auf der Bühne ein, auf der sie nun Gott preisen wird.
Meine Beine geben nach und ich muss mich erst einmal hinsetzen. Der Gedanke
rast mir durch den Kopf: "Wenn Sie aber kommt, dann laufe ich davon!" Aber
wo will ich hier schon hinlaufen? Ich bin eine Gefangene in dieser Gemeinde
und ich habe dieses Spiel schon viel zu lange mitgespielt. Ich kann nicht
mehr einfach so gehen, hier ist alles was ich jemals hatte und habe. Der
Lobpreis fängt an und ich stehe auf, ich darf nicht sitzen bleiben denn wenn
man den Herrn preist muss man das im stehen tun und ich habe wahrscheinlich
schon genug Ãrger am Hals ich will nicht noch mehr provozieren. Ich habe
Angst und mit jeder Minute die vergeht nimmt sie zu. Meine Hände und der
Rücken sind schon schweißnass, ich kann den Projektor schon nicht mehr
richtig sehen und ich glaube der Boden tut sich auf um mich zu verschlingen.
Wäre ich doch bloß heute Abend nicht hierher gekommen. Warum musste ich
ausgerechnet heute Abend in den Gottesdienst gehen? Am Telefon wäre es
leichter zu ertragen gewesen, da könnte ich mal den Hörer weghalten und
nicht so genau hinhören. Ich kann nicht mehr und weis auch nicht wie den
Abend hier rumbringen soll. Die Leute um mich herum schauen mich mitleidig
an und schauen auch gleich wieder weg um nicht von der Frau dabei gesehen zu
werden.
Der Lobpreis zieht sich wie Kaugummi, er scheint mir endlos und ich kann
mich auf kein einziges Lied konzentrieren in meinem Kopf drehen sich die
Gedanken. Was habe ich getan? Was ist passiert? Wo habe ich etwas gesagt?
Wer hat mich verraten? Was ist es bloß? Komm schon denke nach und überlege
dir Argumente! Du brauchst sie um nicht ganz mit dem Rücken zu Wand zu
stehen! Es fällt mir nichts ein und ich werde von Sekunde zu Sekunde
nervöser. Der Lobpreis endet und die große blonde Frau geht von der Bühne
herunter.
Ist mir eigentlich schon einmal aufgefallen was sie für einen riesigen Kopf
hat? Sie sieht aus wie ein ungekämmter Löwe und sie hat die Jagd auf mich
eröffnet. Oh Gott bitte helfe mir irgendwie, ich kann das nicht aushalten.
Der Gottesdienst geht weiter und ihr Mann der einem bulligen Stier gleicht
geht langsam auf die Bühne und stellt sich hinter das Pult. Auch er schaut
kurz mit starrem Blick zu mir herüber, bevor er mit seiner Predigt beginnt.
Heute, so ahne ich werde ich es nicht schaffen davon zu laufen, so wie ich
es als Kind immer getan hatte. Heute wird er mich erwischen und ich werde
das Spiel nicht mehr mitspielen können. Die Angst in mir steigert sich zur
Panik und langsam bekomme ich Atemnot. Ich versuche ruhig und gleichmäßig zu
atmen und will an etwas erfreuliches Denken. Wie war das heute Nachmittag
noch mit dem Ausspruch meines Kindes? Was hat er da wieder gesagt? Verdammt
es will mir einfach nicht mehr einfallen, alles an was ich denken muss ist
dieses blöde Gespräch nach dem Gottesdienst.
Ich habe es oft gesehen und gehört wie sie die Leute fertig gemacht haben.
Ich habe schon genug Leute wie geprügelte Hunde aus dieser Gemeinde
schleichen sehen. Und heute war also ich dran und mein Mann der mir helfen
könnte war nicht da. Ob ich ihn anrufe, damit er kommt? Nein es war schon zu
spät er würde es nicht mehr schaffen, da musste ich ganz alleine durch. Ich
schwitze nun so stark, dass ich meine Stirn mit einem Taschentuch abwischen
muss und alles was ich jetzt noch tun kann ist zu warten.
Der Gottesdienst ist zu Ende und die Leute gehen nach vorne zum Pastor und
seiner großen blonden Frau. Das bedeutet für mich ich muss noch länger
warten und ich versuche mich auf meinem Stuhl ganz klein zu machen, was mir
natürlich nicht gelingt. Immer wieder wandern die Blicke des Pastors und
seiner Frau zu mir herüber, sie wollen damit sagen wage es ja nicht zu gehen
und rühre dich nicht vom Fleck wir sind noch nicht fertig mit dir. Als sie
endlich ihr letztes Gespräch beendet haben kommen sie zu mir herüber.
Meine Beine sind weich wie Pudding und irgendwie fühle ich mich innerlich
wie Tod. Ich habe keine Gefühle mehr, kann weder lachen noch weinen, nichts
mehr alles ist weg. Ich denke mir das ist wie bei einem Schock und starre
die beiden vollkommen hilflos an. Dann setzen sie an und reden auf mich ein,
sie beschimpfen mich und ich sehe ihre großen aufgerissenen Münder, ihre
Zähne und alles was ich noch verstehe ist Rhabarber. Meine Ohren verweigern
ihren Dienst und mein Gehirn blockt irgendwie alles ab. Nach einer viertel
Stunde sind sie fertig und ich darf nach Hause gehen.
Alles was jetzt noch von mir übrig ist schleppt sich durch die Gemeinde und
das Treppenhaus hin zu meinem Auto. Als ich darin sitze wird mir so langsam
bewusst was da gerade abgelaufen ist. Ich kann es nicht fassen und die
Tränen bahnen sich so langsam den Weg nach oben. Tränen der Wut und der
Verzweiflung, ich fühle mich beschmutzt und missbraucht. Aber was soll ich
dagegen tun? Wer hilft mir denn? Ich fahre nach Hause und versuche mich zu
sammeln. Aber alles was übrigbleibt ist dieses Loch in mir und das Gefühl
mich von diesem Unrat abzuwaschen. Ja, ich werde Duschen und dann wird es
mir bestimmt wieder besser gehen. Hoffe ich! Und morgen ist Sonntag, da muss
ich wieder in die Gemeinde gehen. Irgendwie werde ich es schon schaffen.
21.1.2000
Heidi Dallmeier
Wir waren ständig von Spitzeln und Zuträgern umgeben. Es funktionierte in
dieser Gemeinde sehr gut. Die Zuträger waren angesehene Leute, die etwas
über andere herausgefunden hatten, die wurden mit Zuwendung und persönlicher
Belobigung hervorgehoben.
Nach unserer Top Secret Tupperparty, hat sich der Pastor ungefähr eine halbe
Stunde vor dem eigentlichen Sonntagsgottesdienst darüber ausgelassen, wie
doof er diese Schüsseln findet und wie überteuert und dass er solche Leute
die sich Schüsseln kaufen auf die es eine Lebenslange Garantie gab, einfach
blöd findet. Natürlich wurden keine Namen genannt, doch es wusste sowieso
jeder, wer gemeint war.
Es wurde sowieso nur das angeprangert was dem Pastorenpaar nicht vorher
umsonst angeboten wurde.
So hat eine Frau die einen Kurs zur Farb- und Stilberatung mitgemacht hatte,
den Pastor und seine Frau umsonst beraten. Daraufhin setzte eine regelrechte
Wallfahrt zu dieser Frau ein und jeder wollte nur noch in seinen Farben
gekleidet sein. Wollte das optimale Make-up tragen usw. Das war kein
Geschwisterausnutzen, denn wenn es die Pastorenfrau für gut befand, dann
konnte das auch der Rest.
So richtig los ging es dann aber erst als das Pastorenehepaar eine Anklage
wegen sexuellen Missbrauchs erhielt. Das Pastorenehepaar wurde festgenommen
und der Pastor musste bis nach der Verhandlung im Gefängnis bleiben.
Zu dieser Zeit wirkte bei mir die Gehirnwäsche die ich durchlaufen hatte
noch. Denn es war für mich und allen anderen Mitglieder unvorstellbar, dass
dieses Ehepaar auch nur einen Hauch von Schuld haben könnte. Die ganze Zeit
in der, der Pastor im Gefängnis saß haben wir gebetet. 40 Tage am Stück in
einer Gebetskette rund um die Uhr und jeden Abend in der Gemeinde. Ich
konnte noch nicht einmal glauben, dass diese Menschen lügen würden. So
verblendet war ich. Sie haben ihre Strafe erhalten und heute kenne ich die
wahre Geschichte. Später habe ich mich oft gefragt, wie es mir passieren
konnte, dass ich meinen Verstand so ablegte.
Nach dem Urteil, wurde es in der Gemeinde noch enger. Natürlich war alles
vom Teufel geschickt eingefädelt worden, der unsere Gemeinde auf dem Kicker
hatte und nun versuchte sie loszuwerden. Wir waren eine geistliche Macht und
mussten noch mehr geistlichen Krieg führen.
Jetzt kamen sie alle die Hochgeistlichen Größen der Charismatischen
Bewegung. Paul Cain, Larry Lee, die Größen aus Toronto usw. Hier war ein
Pastor eingesperrt worden, wegen seines Glaubens. Das adelte das Ehepaar und
brachte ihnen einen Ruf ein mit dem sie später viel in der Welt
herumreisten.
In der Gemeinde selbst nahm die Kontrolle und die Manipulation immer mehr
zu. Es gab Gesprächsprotokolle von Telefonaten und die Gemeindeleitung wurde
über alles informiert was jemand sagte.
Man musste sich schon genau überlegen wem man was sagte, wie man es sagte
und warum. Die Situation spitzte sich zu. Ich würde das heute durchaus mit
der Situation in der DDR durch die Stasi vergleichen.
Die Predigten gewannen an Schärfe und der Co-Pastor musste oft Sonntag für
Sonntag über die Unarten der Gemeindemitglieder predigen. Zu wenig Dienst,
Spenden, 10ten, Demut, Gehorsam usw.
Der Pastor bezeichnete sich als der gesalbte des Herrn, den man nicht
antasten durfte. Würde man das doch machen in Form von Kritik, dann würde
einen das schlimme Strafgericht treffen.
Die Pastorenfrau wurde von Beth Alvis zur Prophetin gesalbt, welches auch
die Bildzeitung groß aufmachte. Deshalb wurde ein Wache vor der Gemeinde
aufgestellt. Die Gemeinde wurde von Mitglieder bei jedem Gottesdienst
bewacht. Jeder der rein oder raus wollte und verdächtig aussah, musste sich
kontrollieren lassen.
Dann kam die Torontozeit und es setzte ein Reiseboom nach Toronto ein.
Seltsamer Weise bekam ich solche Aktionen nie mit und erfuhr immer erst dann
von Sachen, wenn schon alles ausgemacht war und man nicht mehr mitkonnte. Es
flogen also einige Gemeindemitglieder nach Toronto. Als sie wieder kamen gab
es einen Gottesdienst und in diesen Gottesdienst hat mich Gott berührt. Das
war die eigentliche Grundlage, dass ich später aus dieser Sekte rauskam.
An diesem Abend war auch Bobby Conner (der jetzt in der Gemeinde von Paul
Cain ist) da. Es wurde also gebetet und ich bin aufgestanden und habe für
mich beten lassen. An diesem Abend ist mir was passiert. ich erlebte die
Liebe Gottes. Das war für mich wie zum greifen nahe. Diese Liebe veränderte
was in mir. Ich fühlte mich nicht mehr abgelehnt, sondern angenommen, so wie
ich war. Das gab mir einen Schub an Selbstvertrauen, denn ich wusste ganz
sicher, dass Gott mit mir war. Man kann sagen, dass dies der Anfang von
unserem Austritt war.
Irgendwie hatte Gott meinen Kopf wieder eingeschaltet. Es fing an zu klicken
und ich fand Leute in der Gemeinde die auch so dachten. Wir unterhielten uns
sehr vorsichtig über die Missstände und das was nicht in Ordnung war. Oft
las ich während der Strafpredigten in meiner Bibel und hörte gar nicht mehr
zu. Trotzdem brauchten wir noch eineinhalb Jahre um aus der Gemeinde
rauszukommen.
Diese letzte Zeit ist mir eigentlich nur mehr so in Erinnerung, dass wir uns
innerlich ablösten. Wir ließen die Dinge nicht mehr so an uns ran.
Dann gab es eine Gemeindeversammlung, denn sie hatten es mit ihren
Strafpredigten überzogen, die Leute waren unzufrieden und beschwerten sich.
Diese Gemeindeversammlung war im Rückblick wirklich eine Lachnummer.
Stundenlang durften die Leute aufstehen die einen Dienst in der Gemeinde
hatten. Es wurde sich bei ihnen bedankt und ein paar Worte gefunden.
Kritikpunkte musste man vorher einreichen mit Namensnennung und nicht
Anonym, denn diese wurden nicht beantwortet.
Ich fragte was sie gegen das gegenseitig Misstrauen tun wollten und warum
das so schlimm in der Gemeinde sei. Dann fragte ich, was mit unserem 10ten
passiert und warum das nie öffentlich gemacht wurde. Ja warum eigentlich
niemand Bescheid wusste, was mit dem Geld passierte.
Der erste Punkt wurde gar nicht beantwortet, bei dem zweiten wurden wir
mind. eine Stunde lang beschimpft, natürlich wieder ohne Namensnennung. Es
wurde uns vorgeworfen, dass wir unsere Hintern in der Gemeinde im Winter
wärmen würden, dass wir undankbar wären usw. Wir gingen während dieser
Beschimpfung nach Hause obwohl die Versammlung noch nicht zu Ende war. Es
war schon mutig, einfach aufzustehen und zu gehen.
Trotzdem brauchten wir noch ein Jahr um rauszukommen. Die Krönung die uns
zum Gehen brachte, war dass sie einen Ãltesten öffentlich beschimpften. Das
brachte das Fass zum überlaufen. Nach einer Woche in der ich immer mehr
Magenschmerzen bekam und zum Schluss eine richtig schlimme Magenkolik hatte,
bei der wir fast den Notarzt geholt hätten, da beschlossen wir unseren
Austritt und schrieben ihnen ein Fax.
Die Folge unseres Austritts war, dass wir bei Leuten die wir kaum kannten
übelst verleumdet wurden. Es wurden Menschen angerufen die uns kaum kannten
und der Co-Pastor erzählte eine Lüge nach der anderen. Es wurde vor uns
gewarnt, wir konnten deshalb in keiner Gemeinde mehr Fuß fassen, denn sie
hatten gründlich gearbeitet.
Als wir mit einem Anwalt drohten, wegen der Verleumdungen und der üblen
Nachrede, da hörten sie damit auf oder machten es geschickter, denn sie
hatten noch Bewährung wegen des sexuellen Missbrauchs.
Mit uns traten noch ca. 20 andere Leute aus, wir waren ein kleine Gruppe die
sich selbst ein wenig half. Wir standen von heute auf morgen ohne soziale
Kontakte da. Die Kinder hatten keine Freunde mehr und wir hatten auch keine
mehr. Wir wurden gemieden, es wurde die Straßenseite gewechselt, wenn man
uns sah. Wir wurden in einem Gottesdienst dem Teufel übergeben und es wurde
massiv gegen uns gebetet.
Wir mussten uns erst wieder im Leben zurecht finden und trainierten uns
zuerst die christliche Sprache ab und redeten wieder normal.
Wir erhielten noch einen bitterbösen Brief vom Pastor und das war es dann.
Wir hatten nie mehr Kontakt zu dem Pastor und seiner Frau. Auch der
Co-Pastor hat nie angerufen und sich für seine Lügen entschuldigt. Sie alle
dienen noch munter dem Herrn, es fragt sich nur Welchem?
Dies ist natürlich nur ein Ausschnitt dessen was ich erlebt habe, es ist
nicht vollständig.
Meine Kinder haben dadurch Schaden genommen. Das was mir wir mit ihnen im
Namen des Herrn gemacht haben, das hat sie geprägt. Wir haben viel darüber
gesprochen und viele Wunden wurden geheilt. Doch zurückdrehen kann man die
Zeit leider nicht mehr. Gott hat alles in seinen Händen und alles muss sich
für uns zum Guten wenden.
Ich bin nicht mehr verbittert oder wütend, teilweise haben wir gelacht, als
ich meiner Familie vorlas, was ich geschrieben habe. Denn es ist für uns
heute unvorstellbar, dass wir uns freiwillig in dieser Sekte aufgehalten
haben. Mittlerweile sind ganz viele Leute aus dieser Gemeinde ausgetreten,
es kommen aber auch wieder neue hinzu und ich hoffe, dass viele Leute meine
Geschichte lesen, damit sie gewarnt sind.
Das Buch "Geistlicher Missbrauch" von Jeff van Vonderen wurde übrigens in
dieser Gemeinde verboten.
Was haben sie mit mir gemacht? Sie haben mein Selbstwertgefühl geschwächt
und haben mir gesagt, dass ich nicht auf meine Gefühle vertrauen darf. Das
haben sie biblisch begründet. Nach und nach habe ich nur noch auf das
vertraut was sie mir sagten. Was sie für falsch hielten, war für mich
falsch. Auch wenn meine Gefühle tausend mal was anderes sagten. Sie
trainierten mir meinen gesunden Menschenverstand ab und brachten mich dazu
mir selbst zu misstrauen. Dadurch konnten sie mich so steuern wie sie es
wollten. Als ich an dem Punkt ankam, an dem ich nur noch die Wahl hatte,
jetzt innerlich zu sterben und meine Persönlichkeit ganz aufzugeben, da rief
das kleine ICH, das in mir noch übrig war um Hilfe. Gott hörte dies und sah
meine Not. Er gab mir die Kraft aus dieser Gemeinde raus zu kommen.
Allerdings war ich zu keinen Gefühlsregungen mehr fähig und erst als ich
Therapie in Anspruch nahm, kam ich wieder an meine Gefühle ran. Ich spürte
mich wieder selbst und eine riesige Wut. Ich glaube es gibt wenig Menschen
die sich mal darüber gefreut haben, dass sie Wut verspürten. Bei einem bin
ich mir ganz sicher, wäre ich da nicht rausgekommen, dann wäre ich früher
oder später in einer geschlossenen Anstalt gelandet. Es mag verrückt
klingen, das ist wirklich so und ich wäre nicht die Erste aus dieser
Gemeinde der das passiert.
Verfasserin: Heidi Dallmeier (vormals Pseudonym Emmily)
Der Bericht nimmt Bezug auf die Immanuel Gemeinde Nürnberg.
Das Pastorenehepaar ist Ekkehard Höfig und Iris Höfig, der Co-Pastor Johannes Bartel.
Zum Abschluss möchte ich noch eine Geschichte einfügen, die auch geschrieben habe. Sie spiegelt das Klima wieder das in der Gemeinde herrschte und ist gleichzeitig ein abrechnen mit der Hilflosigkeit der damaligen Zeit.
Die Zunge!
Wer hat sie nicht? Jeder hat eine Zunge und sie ist so wichtig für uns. Wir
brauchen sie zum schmecken, essen, schlecken und reden, auch könnten wir
ohne sie nicht schlucken. Der Doktor sieht die Zunge an und wenn Belag drauf
ist dann weiß er, dass man krank ist. Also ist sie unentbehrlich, ja sogar
lebensnotwendig.
Aber es gab ein Land in der war sie unerwünscht es wurde sogar verboten sie
zu benutzen.
Es war einmal ein kleines Völkchen in einem ganz winzig kleinen Land. Dort
regierte ein dicker König und seine Königin. Sie hatten viele Untertanen und
sie gehorchten alle dem Königspaar. Das Königspaar hatte beschlossen, dass
niemand mehr die Wahrheit reden durfte. Es war bei Strafe verboten dem König
oder der Königin zu sagen, dass sie dick oder hässlich waren und alle
Menschen gehorchten ihnen.
Oft verstanden sie nicht was das sollte, doch es war besser den Mund zu
halten als, dass man Schwierigkeiten bekam. Und so gewöhnten die Leute sich
das Reden ab. Keiner redete mehr mit dem anderen. Man nickte sich zu wenn
man sich auf der Straße begegnete oder lächelte wenn man einen Freund traf.
Das Königspaar hatte noch einige enge Vertraute und die passten auf, dass
die Untertanen auch wirklich brav waren. Es ging viel Zeit ins Land und die
Kinder die geboren wurden lernten das Sprechen gar nicht erst, denn so
konnten sie auch nichts Falsches sagen. Es war ein Land der Stille, das nur
dann auflebte wenn der König oder Königin etwas sagten, dann hingen alle wie
gebannt an ihren Lippen und alles was sie sagten war ihnen Wahrheit und
Gesetz.
Manchmal entschlüpfte einem Erwachsenen ein Wort oder sogar ein ganzer Satz
und da war dann guter Rat teuer. Was wenn es der König gehört hatte oder
schlimmer seine Untertanen es ihm zutragen würden? Oh weih, dann wollte man
doch lieber gleich die Zunge herausgeschnitten bekommen damit einem das
nicht mehr passieren konnte.
Es gab aber auch die Möglichkeit es abzubüßen und dem König und seiner
Königin Geschenke oder andere Dinge zu bringen. Da man wusste, dass die
beiden gerne essen, war es eine Möglichkeit ihnen leckere Dinge zu kochen
oder zu backen und so wurden die beiden immer runder und rosiger.
Doch dann geschah etwas in dem winzig kleinen Land. Ein Ehepaar reiste durch
die Welt und besuchte auch dieses Land und da es gewohnt war zu reden, zu
lachen und zu weinen war es sehr erstaunt, dass niemand der Bewohner mit
ihnen sprach. Sie versuchten es hier und dort und alle schauten sie nur mit
großen Augen an. Was die wollten reden? Schrecklich das war doch bei Strafe
verboten! Wie konnten die nur so unbeschwert sein und so laut miteinander
reden? Oh wenn der König das erfuhr würden sie in den Kerker geworfen
werden!
Eine Frau die das Sprechen noch nicht verlernt hatte, nahm sie auf die
Seite. Sie schaute sich ängstlich nach allen Seiten um und vergewisserte
sich, dass niemand sie sah und dann versuchte sie zu sprechen. Sie nahm all
ihren Mut zusammen und nach einigem Räuspern und Husten brachte sie fertig
wieder Worte zu formen die man auch verstehen konnte. Sie sagte zu ihnen:
"Passt auf, es ist uns streng verboten miteinander zu reden, dem Königspaar
ist es einzig und alleine erlaubt sonst niemanden!" Seid also besser still,
sonst müsst ihr in den Kerker!
Das Ehepaar sah sich erstaunt an und fragte: "Wer bist du denn und warum
wagst du es mit uns zu reden, wenn euer König so hart ist?" Doch die Frau
antwortete nicht mehr. Zu groß war die Angst erwischt zu werden. Sie ging
schnell in ihr Haus und machte die Türe zu. Das Ehepaar suchte sich ein
Hotel und ging zur Anmeldung und auch hier wurde nur mit den Händen gedeutet
und nichts geredet. Langsam glaubten die beiden, dass die Leute hier alle
verrückt waren und sie beschlossen sich den König und die Königin einmal
selbst anzusehen.
Am Sonntag früh so verkündete ein Plakat im Hotel würden die beiden wieder
auftreten und eine Rede zum Volk halten. Für das Ehepaar war es gar nicht so
leicht in einem Land zu sein indem man nicht reden durfte und so lernten
sie, dass wenn man sich etwas zum Essen bestellen wollte mit dem Finger auf
das gewünschte in der Karte zu zeigen. Sie redeten beim Essen viel
miteinander, was aber nur zur Folge hatte, dass sie alle mit bösen Blicken
anschauten. Immer und überall war die Angst vor dem Königspaar zu spüren.
Am Sonntagmorgen standen sie in aller Frühe auf um das Paar ja nicht zu
verpassen und in aller Eile frühstückten sie und machten sich mit den
anderen Leuten des Landes auf dem Weg zum Königspaar. Als sie angekommen
waren, war das Königspaar noch nicht einmal da, aber es gelang ihnen sich
einen Platz in der vordersten Reihe zu sichern und so warteten sie voller
Ungeduld mit der schweigenden Menge auf die Beiden.
Die Vertrauten des Königs waren alle schon anwesend und ihre Augen ruhten
auf den Leuten. Es war so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen
hören. Mit einiger Verspätung traf dann das Königspaar ein und dann wurde es
durch die Bewegungen der Menschen doch etwas unruhig.
Feierlich schritten sie auf ihrem Thron zu und setzen sich hin. Als sie ihr
Volk lange genug mit Blicken gemustert hatten, stand der König auf und fing
das sprechen an. "Die Zunge welch kleines Ding, mit ihr kann man Pferde
lenken und sie verbreitet doch nur giftige und böse Worte!" Seid auf der Hut
und benutzt sie niemals, sie ist der Anfang allen Ãbels! Redet nicht
miteinander und wenn jemand versucht mit dir zu reden, so melde es mir
sofort. Jeder der es wagt zu Reden wird in den Kerker geworfen werden oder
aus unserem schönen Land verbannt werden. Deshalb schweigt und hütet eure
Zunge.
Und dann geschah etwas was noch niemals in all der Zeit die vorher war
geschehen ist. Der Mann der als Gast in diesem Land weilte, stand auf. Er
drehte sich um und schaute verschiedensten Leuten in die Augen und dann sah
er den König und die Königin direkt an. Er fragte sie: "Warum habt ihr
solche Angst, dass die Leute sprechen?" Ist es nicht die Stimme die: "Die
schönsten Lieder singt?" Oder ist es nicht die Sprache die sagt: "Ich Liebe
dich?" Die Worte die ich sage sind nicht nur böse und gemein! Nein sie sind
gut und ehrlich, sind deine Bürger etwa Tiere die nicht miteinander reden
können? Warum bist du und deine Frau so grausam zu den Leuten? Lasse sie
miteinander reden und du wirst sehen es kommt nichts schlimmes dabei raus.
Der König lief vor Wut in seinem Gesicht langsam Rot an, seine Frau
kreischte im Hintergrund und die Vertrauten hielten den Atem an. Was würde
jetzt passieren? Der hatte es gewagt dem König zu widersprechen, oh das
würde eine grausame Strafe nach sich ziehen. Der König holte Luft um noch
mächtiger auszusehen und schrie den Mann an, du du wagst es mir den König
dieses Landes zu widersprechen? Wer bist du denn? Ãberhaupt wie kommst du in
mein Land?
Und der Mann antwortet: "Ja, ich wage es, denn überall auf der Welt dürfen
die Menschen miteinander reden, wir haben so viele Länder bereist und das
hier ist das erste indem es verboten ist!" Verrat schrie der König, schmeißt
dieses Ehepaar aus meinem Land und sie sollen Einreiseverbot bekommen
solange ich lebe. Die Vertrauten des Königs machten sich gleich auf dem Weg
und das Ehepaar wurde aus der Menschenmenge weggedrängt und des Landes
verwiesen. Doch noch im wegdrängen schrie der Mann ihnen zu, geht raus aus
diesem Land, lasst es euch doch nicht gefallen, tut etwas dagegen! Die
Untertanen aber waren entsetzt, wie konnte der nur ihren guten König so
angreifen? Welch Unverschämtheit, wie gut, dass man einen König und eine
Königin hatte auf die man sich verlassen konnte.
Einige wenige, erlaubten sich den Gedanken, dass wohl etwas wahres an dem
sein musste was der Mann gesagt hatte. Aber die Gefahr dabei erwischt zu
werden war zu groß und so beschlossen sie lieber weiterhin so zu leben wie
es das Königspaar wünschte das war besser, als dass man des Landes verwiesen
wurde. Wohin konnte man denn schließlich schon gehen?
Das Ehepaar reiste weg aus diesem Land und kam nie mehr dahin zurück. Aber
ab und zu wagt es jemand seinen Kinder über diese Leute zu berichten. Doch
nur in finsterster Nacht und hinter verschlossenen Türen, so dass bestimmt
niemand es mithören konnte. Und so lebt dieses winzig kleine Land noch heute
ohne, dass die Leute ein Wort miteinander sprechen.
3.12.99
Heidi Dallmeier
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