Meine Geschichte | Heidi Dallmeier | Schatten an der Wand Weiche! schreit der Pastor und ich fahre vom Schlaf hoch. Nicht schon wieder dieser Traum. Immer wieder holt er mich ein. Ich bekomme eine Gänsehaut die am Kopf anfängt und mir über den Rücken runter läuft und gleichzeitig habe ich das Gefühl immer noch beobachtet zu werden. Ist wer hier den ich nicht sehen kann, greift mich dieses etwas an? Nein, sage ich mir, du musst damit aufhören solche Dinge zu denken und die Schatten an der Wand ignorieren. Meine Gedanken gehen zurück zu den Segnungsgottesdiensten die ich besucht hatte und das waren viele im Laufe der Jahre. Ich finde mich wieder im Lobpreis der heute besonders euphorisch ist, es sind Kampfeslieder angesagt denn wir befinden uns im Krieg. Im Krieg gegen den Feind. Der Feind ist der Teufel und ihn müssen wir bekämpfen mit allen geistlichen Waffen und Mitteln die es gibt. Es wird gejubelt und lautstark gejohlt wir haben den Teufel und seine Helfer unter unseren Füßen. Unser ist der Sieg nichts und niemand kann ihn uns nehmen. Die Stimmung steigt und einige fangen das Tanzen an, andere klatschen und stampfen mit den Füßen und die Stimmung im Saal kocht über. Der Pastor schreit nun durchs Mikrofon und alle schreien zurück. Wer hat den Sieg? Alle schreien Jesus, Jesus, Jesus und er schreit wieder wer hat den Sieg? Und wieder schreien alle Jesus zurück. Der Pastor stimmt nun das Lied "Steh auf in dem Namen Jesus" an und alle singen mit: "Singt und tanzt im Triumphzug unseres Herrn denn er hat alle Feinde besiegt, er hat alle Feinde besiegt!" Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt angekommen und alle sind sich ohne ein Wort einig heute wird es ein Schlachtfest beim Feind geben. Heute müssen Mächte weichen und man wird frei werden von seinen Belastungen. Wie viel Hoffnung und Erwartung spiegelt sich in den Gesichtern und Augen der Gemeindemitgliedern wieder. Heute werden Kranke geheilt werden und dies ist der Tag den der Herr gemacht und alles wird endlich gut sein. Doch zuerst gibt es die Predigt und auch diese ist gespickt mit Kampfansagen. Der Pastor gibt seine ganzen Eindrücke wieder die er während des Lobpreises schon hatte und prophezeit über einigen Leuten. Alle sind gespannt was wird wohl passieren nachdem, sich der Herr schon vor dem eigentlichen Gebet so offenbart? Der Pastor erzählt lang und breit in seiner Predigt wie er zu dem heutigen Thema gekommen ist und das er eine Vision hatte. Er hat einen Engel gesehen der mit dem Teufel gekämpft hat und der Engel hat gesiegt und da hat Gott zu ihm gesprochen, daß er heute ganz besonders für die stark belasteten beten soll, denn heute ist der Tag an dem sie von ihren Dämonen frei werden sollen. Mich friert und ich habe jetzt schon Angst, denn auch ich gehöre zu diesen Leuten die so stark belastet sind. Oh mein Gott was habe ich nicht alles für Dämonen? Nazidämonen, Angstdämonen, Minderwertigkeitsdämonen und Ablehnungsdämonen die Liste ist lang und ich kann sie gar nicht alle aufzählen. Ich denke mir, Gott wirst du mich heute davon frei machen? Von allen auf einmal? Damit ich nie mehr Gebet deswegen brauche? Am liebsten würde ich gar nicht vorgehen, doch das ist bestimmt auch wieder so ein Dämon der mich davon abhalten will, dass ich frei werde! Also zwinge ich mich dazu. Der Pastor ruft die Leute die sich angesprochen fühlen nach vorne und viele gehen in die Richtung zur Bühne, dort angekommen stelle ich mich neben jemand anderes hin und schaue mit einem vorsichtigen Blick einmal rüber wer da alles neben mir steht. Der Person neben mir geht es nicht anders und wir lächeln uns scheu an und schauen sofort wieder gerade aus, denn das ist gefährlich, es könnte ja mein Dämon auf sie überspringen oder umgekehrt und dann hätte ich noch einen mehr. Wenn ich es mit Humor sehen würde, könnte ich ja sagen was Solls auf einen mehr kommt es nicht an! Aber was weiß ich was die für Dinger hat, Nein Danke die soll sie schön für sich behalten. Der Pastor kommt näher und ich höre was er für jemanden anderes betet, Neid und Stolz müssen weichen auch der Hochmut und die Hexenmächte die Person fällt um und fängt zu schreien an. Das klingt so unmenschlich grausam, dass ich mir fast in die Hosen mache vor Angst. Was wird bei mir sein? Muss dieser Dämon auch mit schreien ausfahren oder was wird der mit mir nur machen und was ist, wenn er nicht raus will? Wieder überlege ich ob ich nicht lieber gehen soll? Aber ich sage mir: "Nein Emmily das hältst du aus, du willst schließlich frei werden und wenn du nach Hause gehst bist du ein gereinigter Tempel Gottes!" Langsam kommt der Pastor näher und nun steht er schon neben mir und dann ist er bei mir angekommen. Er schaut mir lange in die Augen und fängt dann das beten an. Er spricht unverständliches vor sich hin und legt mir die eine Hand auf meinen Kopf und die andere oberhalb meiner Brust, ich habe ein unangenehmes Gefühl dabei und würde ihm am liebsten die Hand oberhalb meiner Brust wegnehmen, doch er ist ein Mann Gottes und wie kann ich ihm nur irgendwelche schlechten Dinge unterstellen? Er wird schon wissen was er tut! Da schaut er mich auch schon wieder an und sagt mit lauter Stimme: "Weiche du Dämon der Wahrsagerei hebe dich hinfort und du Ablehnung fährst auch gleich mit aus!" Mir geben die Beine nach ich falle auf meine Knie, die Angst in mir steigert sich von Sekunde zu Sekunde ich habe einen Kloß im Hals und kann fast nicht mehr Atmen. Der Pastor gebietet weiter, ich habe zu dir gesagt, dass du weichen musst und du fährst nun aus im Namen Jesus. Jetzt bekomme ich einen Hustenanfall nach dem anderen und muss mich dazu auch noch übergeben. Der Pastor schreit, seht wie sich Gott hier verherrlicht, was habe ich gesagt heute ist der Tag an dem die Dämonen weichen müssen. Das Gebet wird nun leiser und erschöpft sinke ich nach hinten auf dem Boden, es wird mir empfohlen noch liegen zu bleiben und mich von dem Kampf zu erholen. Der Pastor segnet mich noch und geht weiter zur nächsten Person. Müde von diesem Kampf stehe ich auf und setze mich auf meinen Stuhl. Ich fühle mich leer und ausgebrannt doch gleichzeitig bin ich froh, dass es vorüber ist zumindest bis zum nächsten Gebetsaufruf und da muss ich dann auch wieder nach vorne gehen, sofern er mich betrifft. Heimlich denke ich mir, nur das nicht. Als ich mich gerade etwas entspannt habe kommt es noch schlimmer als erwartet. Der Pastor steht vorne ganz allein und schaut mich an und dann sagt er: "Emmily komm doch noch einmal nach vorne, Gott hat mir noch etwas gezeigt und dafür will ich auch noch beten!" Ich denke oh Nein, nicht vor der ganzen Gemeinde, jeder wird auf mich schauen und was ist, wenn ich noch verrücktere Sachen mache als eben? Mit Pudding in den Knien erhebe ich mich und gehe langsam zu ihm hin, in der Zwischenzeit fordert er die Leute auf (es dürften so um die 200 sein) jetzt ganz besonders kräftig mitzubeten denn das hier ist jetzt ein echter geistlicher Kampf. In meinem Körper macht sich ein taubes Gefühl breit und ich nehme alles nur noch wahr als ob ich mich unter Wasser befinden würde. Irgendwie erscheint mir alles total unwirklich und das was jetzt passieren wird, geschieht nun einer anderen Person. Ich bin angekommen und das Ritual der Handauflegung geht von vorne los, er schaut mich an und sagt mir, dass er den Dämon schon in meinen Augen sehen kann und ich denke was habe ich bloß noch alles in mir. Der Pastor entschließt sich bei diesem ganz besonders schlimmen Dämon mich mit Öl zu salben, er malt mir ein Kreuz auf die Stirn und entscheidet für sich, dass das nicht genug ist und schüttet mir das restliche Öl aus der Flasche über den Kopf. Die Person in mir denkt sich, wie soll ich das nur wieder aus meinen Haaren rauswaschen, doch es geht schon weiter. "Schau mir in die Augen Emmily, eigentlich will ich das gar nicht doch wenn ich es jetzt nicht tue wir es noch schlimmer werden. Schau mich an du Dämon du bist eine Hexenmacht und ich gebiete dir jetzt auszufahren und zwar sofort. Ich stehe da und schwanke hin und her, um mich herum nehme ich das Murmeln der Gemeinde wahr die alle gegen diesen Dämon in mir beten. Der Pastor zischt mir ins Ohr, wenn du dich weigerst umzufallen, dann ist das Rebellion gegen Gott und ich denke mir dann falle ich halt um und falle um wie ein gefällter Baum. Nun verlangt der Pastor, dass der Dämon seinen Namen nennt und ich kichere nur blöd ich weiß auch nicht warum aber ich kann nicht anders. Da schreit er, was du lachst mich aus du sollst die Strafe Gottes kennenlernen und im Nu sind noch der Co - Pastor und die Ältesten der Gemeinde da, sie stehen um mich herum und beten und gebieten was das Zeug hält. Ich denke so bei mir die machen sich doch lächerlich und da schreit mich der Pastor an, Emmily komm hervor und sage mir was da los ist, ich verstehe nicht ganz und wieder schreit er Emmily komm hervor und irgendwie dringt das an meinen Verstand und ich komme so langsam zu mir, ich habe das Gefühl ich war in Trance oder Hypnose und habe mich in mir selbst versteckt. Ich schaue verständnislos von einem zum anderen und werde gefragt ob ich diesen Hexendämon auch loswerden will, ich nicke nur denn so was möchte ich auf keinen Fall behalten, es wird mir empfohlen zu beten und zu fasten und dann könnte man beim nächsten Segnungsgottesdienst noch einmal beten. Ich bleibe noch eine Zeitlang liegen und gehe dann zu meinem Stuhl zurück, diesmal fühle ich mich noch schlimmer als das mal davor. Jetzt habe ich also noch einen mehr und ich weiß gar nicht wie die alle in mich reingekommen sind? Ich frage Gott ob ich jemals frei werden werde? Ich bin deprimiert und suche nach den Ursachen dieser Belastungen. Was haben sie gesagt, dass dies alles schon lange in meiner Familie sein würde! Ich Erbbelastungen habe und Familiendämonen die von einem zum anderen wandern würden! Warum dann ausgerechnet zu mir Gott und nicht zu meinen Schwestern? Ich beschließe für mich beharrlich im Gebet zu bleiben und immer wieder für mich beten zu lassen, denn irgendwann werde ich es geschafft haben und dann werde ich rein sein und keine Belastungen mehr haben. Hoffe ich! Ich gehe nach Hause denn für heute kann ich einfach nicht mehr, es war viel zu viel und auf der Fahrt nach Hause habe ich das Gefühl, dass mich etwas verfolgt. Die Geister die ich rief werde ich nun nicht mehr los. Ich renne zum Hauseingang und versuche möglichst schnell in meine Wohnung zu kommen, denn da ist mein Mann und meine Kinder und ich fühle mich fürs erste einmal geborgen. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass ich auch hier beobachtet werde. Ich muss unbedingt wieder für mich beten lassen? 30.1.2000 Verfasserin: Heidi Dallmeier (vormals Pseudonym Emmily) Der Bericht nimmt Bezug auf die Immanuel Gemeinde Nürnberg. Das Pastorenehepaar ist Ekkehard Höfig und Iris Höfig, der Co-Pastor Johannes Bartel. Das ist eine Geschichte die ich während der Zeit meiner Aufarbeitung des geistlichen Missbrauchs geschrieben habe. Wir sind jetzt über acht Jahre aus dieser Gemeinde ausgetreten und ich kann sagen, dass ich mit Hilfe einer Psychotherapeutin das Ganze sehr gut aufarbeiten konnte und auch den Mechanismus warum ich dies mit mir machen lies, erkannt habe. Wir waren von 1990 bis 1996 in einer sogenannten Evangelischen Freikirche, so bezeichnet sie sich selbst. Allerdings gehört sie der Extrem Charismatischen Richtung an und lehrt und lebt dies auch. Diese Gemeinde gehört zu keinem Verbund, wurde von dem Pastorenehepaar gegründet und ist deshalb keinem Rechenschaft schuldig. Heute würde ich sagen, dass wir zur ersten Generation der geistlich Missbrauchten in Deutschland zählen. Deswegen war der Weg aus der Gemeinde auch besonders schwer. Wenn ich mich an das erste Jahre nach dem Austritt zurück erinnere, dann würde ich sagen, dass ich in einem Schockzustand lebte und vollkommen traumatisiert war. In diesem Jahr starb auch noch vollkommen überraschend meine Mutter, was das Ganze noch schlimmer machte. Als ich das erste Mal und das hat wirklich ein Jahr gebraucht, darüber reden konnte, bekam ich noch in der gleichen Nacht einen Hörsturz. Davon habe ich heute noch einen Tinitus. Doch bedingt durch diesen Hörsturz wurde ich zur Kur geschickt und dort bekam ich psychologische Hilfe. Was dazu führte, dass ich heute mit mir und dieser Zeit versöhnt leben kann. Es begann eigentlich ganz harmlos. Ich bekehrte mich und meine Schwester die mit ihrer Gemeinde für mich und meine Familie gebetet hatte, fragte eine Freundin ob sie mich nicht mal mit in ihre Gemeinde nehmen könnte. Denn meine Schwester ging zu dieser Zeit in eine Englische Gemeinde. Wir gingen also mit und wurden ganz freundlich begrüßt und recht herzlich aufgenommen. Man interessierte sich für uns und unsere Probleme und versprach uns Hilfe. Alles war neu für uns und wir hatten keine Vergleichsmöglichkeiten. Als gerade Frischbekehrte die von nichts Ahnung hatten, waren wir natürlich leichte Beute. So nahmen wir alles auf und versuchten auch alles richtig zu machen, denn wir wollten ja Gott gefallen. Schon nach zwei Wochen bekam ich mit wie eine Frau öffentlich in einer außerordentlichen Gemeindeversammlung denunziert wurde. Das machte mir natürlich Angst und ich hoffte, dass mir das nie passieren würde. Die Frau wurde von der Gemeinde ausgeschlossen. Die sogenannte Gemeindezucht wurde vollzogen und es sollte niemand mehr mit der Frau reden. Ich war in dieser Zeit der sogenannte Sieg über den Feind. Denn ich hatte jahrelang in der Esoterik gelebt und diese auch praktiziert. Aus diesem Grund mussten mir sämtliche Dämonen ausgetrieben werden die ich in mir hatte. Ich verstand zwar nicht warum? Doch ich vertraute diesen Menschen, die ja wussten um was es ging. Die Gebete wurden derart viel, dass ich mich manchmal wirklich selbst für einen Dämon hielt. Ich befürchtete ich würde den Verstand verlieren, wenn das nicht aufhören würde. Ich befand mich in einer Zwickmühle, auf der einen Seite wollte ich frei werden, auf der anderen Seite merkte ich, dass ich langsam aber sicher unter Verfolgungswahn litt. Dann wurde ich mit meinem dritten Kind schwanger. Was mir eine Atempause einbrachte, denn meine Schwangerschaften waren am Anfang immer nicht so stabil. Ich musste also viel liegen und habe so von Gott eine Auszeit erhalten. Man verlor etwas das Interesse an mir und ich bekam eine Seelsorgerin die sich in Zukunft mit mir beschäftigen sollte. Wir gingen in einem Hauskreis und fühlten uns eigentlich ganz wohl. Dass meinem Mann von einem sogenannten Bruder gesagt wurde, dass ich eine unmögliche Frau sei und wie er mit mir verheiratet sein könne, das erfuhr ich erst viele Jahre später. Ich versuchte mein Leben in vollkommener Heiligung zu führen. Da ja eigentlich alles dämonisch war, was außerhalb der Gemeinde und des Glaubens passierte, waren wir sehr darauf bedacht, dass nichts unheiliges bei uns in der Wohnung war. Wir warfen alle Schallplatten weg, wir warfen alle Bücher raus, Schmuck, Spielzeug der Kinder, Gegenstände die dämonisiert sein konnten, wir warfen alles weg. Ich hörte keinen Radio mehr, wir schauten im Fernsehen nur was geistlich in Ordnung war, denn der Fernseher war das Sprachrohr des Teufels. Wir warfen die Bettwäsche unserer Kinder weg die Fantasiefiguren aufgedruckt hatten. Wir warfen ihre Lieblingsspielzeuge weg und wir erzogen unsere Kinder dazu darauf zu achten, dass sie nicht mit okkulten Dingen in Berührung kamen. Wir hielten nur noch losen Kontakt zu unseren Familien, denn von ihnen ging ganz viel Gefahr aus. Sie waren ja keine Christen und hatten somit genug Dämonen in sich, die sie jederzeit auf einem übertragen konnten. Natürlich sorgte sich meine Mutter um mich und warnte mich vor dieser Sekte, doch ich war schon derart gefangen, dass ich mir erzählen lies, dass dies ein listiger Angriff des Teufels sei. Unsere Gemeinde war das sogenannte Flagschiff in Deutschland. Schließlich war sie in Nürnberg der Nazihochburg und von dort aus, würde die Erweckung für ganz Deutschland beginnen. Unsere Gemeinde hatte die führende Rolle in dieser Erweckung und so mussten wir derart gestärkt den Kampf gegen die Mächte des Bösen antreten. Es kamen viele Propheten in die Gemeinde, die dies bestätigten und uns dazu aufforderten in diesem geistlichen Kampf zu bestehen. Die Propheten kamen aus der ganzen Welt und alle hatten irgendwie die gleiche Botschaft. Die Propheten die was anderes predigten, wurden hinter her vom Pastor ausführlich kommentiert und es wurde alles richtig gestellt, was angeblich falsch war. Solche Propheten kamen nur einmal, die wurden nicht mehr eingeladen. Heute frage ich mich manchmal wie ich in diesen Jahren alles unter einem Hut brachte. Manchmal besuchte ich sechs oder sieben Veranstaltungen in der Woche. Manche dauerten bis 1 oder 2 Uhr in der Nacht. In all den Jahren lebten wir in einem Klima der Angst. Eigentlich bin ich eine starke Persönlichkeit und ausgerüstet mit viel Humor. Im Laufe der Jahre entwickelte ich mich immer mehr zu einer Person die überhaupt kein zutrauen mehr zu sich hatte. Ich wurde irgendwie gleichgeschaltet und konnte weder Freude, Wut oder sonst was empfinden. Ich merkte, dass über mich geredet wurde, dass ich ausgegrenzt wurde und dass ich irgendwie nie so richtig Anschluss fand. Das allerdings war nur ein Gefühl, ich konnte es damals nicht benennen. So wie ich war, war ich nicht Ordnung. Das wurde mir vermittelt. Also versuchte ich anders zu sein, mich so zu machen, dass ich richtig war und das bis zu einem Punkt wo mir nur die Möglichkeit blieb meine ganze Persönlichkeit aufzugeben. Unsere Ehe war nicht Ordnung wie sie war. Ich war dominant, mein war Mann laut der Gemeindeleitung das Weichei! Das musste sich ändern. Mein Mann musste ab sofort der Dominante sein und ich hatte den Mund zu halten. Das probierten wir wirklich. Es ging nicht gut, wir stritten nur noch und ich hatte Frust, weil man Mann die Dinge, die ich mit links erledigt hätte, nicht fertig brachte und er hatte Frust, weil er es nicht schaffte. Ich war also schlecht. Meine Persönlichkeit stimmte nicht, meine Ehe stimmte nicht und meine Kinder waren auch nicht gut erzogen, deshalb war ich auch noch eine schlechte Mutter. Wir waren laut und vollkommen primitiv. Dass man als Mutter von drei Jungen anders redet, als wenn man drei Töchter hatte, das habe ich erst später begriffen. Dann kam der Tag an dem ich meine erste Lektion erhielt. Ich hatte vollkommen unbedarft bei einem gemeinsamen Grillen meine Wohnung für eine Tupperparty zur Verfügung gestellt. Alle Frauen brauchten irgendwas und nur meine Freundin lud ich selbst ein. Wir hielten also eine Topsecret Tupperparty ab und nannten sie auch so, weil wir alle niemanden erzählen wollten, dass wir dies gemacht hatten. Leider hatte ich da die eine Person vergessen die mit beim Grillen war und die alles haarklein der Pastorenfrau zutrug. Ich bekam ein Gespräch und dieses Gespräch dauerte vier Stunden. Nach diesen vier Stunden war ich vollkommen fertig und fühlte mich das erste Mal missbraucht. Über diese und ähnliche Situationen habe ich eine Geschichte geschrieben: Die große blonde Frau Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Wenn er aber kommt dann laufen wir davon! Das war ein Spiel das wir als Kinder gerne gespielt haben und es hat uns dabei immer ein bisschen gegruselt und das war der Kick an diesem Spiel. Doch wenn man es in Wahrheit erlebt dann wird schnell Ernst aus diesem Spiel und man mag es nicht mehr spielen. Es ist 19.30 Uhr an einem Samstagabend. Ich stehe in der Gemeinde und warte darauf, dass der Lobpreis anfängt. Nichts ahnend und auch nichts böses denkend nehme ich an dem Gespräch um mich herum teil. Als mir plötzlich jemand von hinten auf die Schulter klopft. Das Klopfen ist fordernd und mein Herz fällt mir sprichwörtlich in die Hosentasche. Ich drehe mich herum und da steht sie! Die große blonde Frau. Ihre Augen bohren sich in meine, sie sind zu ärgerlichen Schlitzen geschlossen, ihr Atem geht stoßweise und mir fällt dabei auf, dass sie einen unangenehmen Mundgeruch hat. Ich stehe da und starre sie an, um mich herum sind die Gespräche verstummt und jeder wartet darauf, dass die große blonde Frau zu sprechen anfängt. Mit einer Stimme die ihre Macht demonstriert befiehlt sie mir nach dem Gottesdienst auf sie zu warten. Ich stehe mit offenem Mund da und wage es nicht ihr zu widersprechen, das einzige was ich tun kann ist mit dem Kopf zu nicken. Schon geht sie weiter als wäre all das überhaupt nicht passiert und nimmt ihren Platz auf der Bühne ein, auf der sie nun Gott preisen wird. Meine Beine geben nach und ich muss mich erst einmal hinsetzen. Der Gedanke rast mir durch den Kopf: "Wenn Sie aber kommt, dann laufe ich davon!" Aber wo will ich hier schon hinlaufen? Ich bin eine Gefangene in dieser Gemeinde und ich habe dieses Spiel schon viel zu lange mitgespielt. Ich kann nicht mehr einfach so gehen, hier ist alles was ich jemals hatte und habe. Der Lobpreis fängt an und ich stehe auf, ich darf nicht sitzen bleiben denn wenn man den Herrn preist muss man das im stehen tun und ich habe wahrscheinlich schon genug Ãrger am Hals ich will nicht noch mehr provozieren. Ich habe Angst und mit jeder Minute die vergeht nimmt sie zu. Meine Hände und der Rücken sind schon schweißnass, ich kann den Projektor schon nicht mehr richtig sehen und ich glaube der Boden tut sich auf um mich zu verschlingen. Wäre ich doch bloß heute Abend nicht hierher gekommen. Warum musste ich ausgerechnet heute Abend in den Gottesdienst gehen? Am Telefon wäre es leichter zu ertragen gewesen, da könnte ich mal den Hörer weghalten und nicht so genau hinhören. Ich kann nicht mehr und weis auch nicht wie den Abend hier rumbringen soll. Die Leute um mich herum schauen mich mitleidig an und schauen auch gleich wieder weg um nicht von der Frau dabei gesehen zu werden. Der Lobpreis zieht sich wie Kaugummi, er scheint mir endlos und ich kann mich auf kein einziges Lied konzentrieren in meinem Kopf drehen sich die Gedanken. Was habe ich getan? Was ist passiert? Wo habe ich etwas gesagt? Wer hat mich verraten? Was ist es bloß? Komm schon denke nach und überlege dir Argumente! Du brauchst sie um nicht ganz mit dem Rücken zu Wand zu stehen! Es fällt mir nichts ein und ich werde von Sekunde zu Sekunde nervöser. Der Lobpreis endet und die große blonde Frau geht von der Bühne herunter. Ist mir eigentlich schon einmal aufgefallen was sie für einen riesigen Kopf hat? Sie sieht aus wie ein ungekämmter Löwe und sie hat die Jagd auf mich eröffnet. Oh Gott bitte helfe mir irgendwie, ich kann das nicht aushalten. Der Gottesdienst geht weiter und ihr Mann der einem bulligen Stier gleicht geht langsam auf die Bühne und stellt sich hinter das Pult. Auch er schaut kurz mit starrem Blick zu mir herüber, bevor er mit seiner Predigt beginnt. Heute, so ahne ich werde ich es nicht schaffen davon zu laufen, so wie ich es als Kind immer getan hatte. Heute wird er mich erwischen und ich werde das Spiel nicht mehr mitspielen können. Die Angst in mir steigert sich zur Panik und langsam bekomme ich Atemnot. Ich versuche ruhig und gleichmäßig zu atmen und will an etwas erfreuliches Denken. Wie war das heute Nachmittag noch mit dem Ausspruch meines Kindes? Was hat er da wieder gesagt? Verdammt es will mir einfach nicht mehr einfallen, alles an was ich denken muss ist dieses blöde Gespräch nach dem Gottesdienst. Ich habe es oft gesehen und gehört wie sie die Leute fertig gemacht haben. Ich habe schon genug Leute wie geprügelte Hunde aus dieser Gemeinde schleichen sehen. Und heute war also ich dran und mein Mann der mir helfen könnte war nicht da. Ob ich ihn anrufe, damit er kommt? Nein es war schon zu spät er würde es nicht mehr schaffen, da musste ich ganz alleine durch. Ich schwitze nun so stark, dass ich meine Stirn mit einem Taschentuch abwischen muss und alles was ich jetzt noch tun kann ist zu warten. Der Gottesdienst ist zu Ende und die Leute gehen nach vorne zum Pastor und seiner großen blonden Frau. Das bedeutet für mich ich muss noch länger warten und ich versuche mich auf meinem Stuhl ganz klein zu machen, was mir natürlich nicht gelingt. Immer wieder wandern die Blicke des Pastors und seiner Frau zu mir herüber, sie wollen damit sagen wage es ja nicht zu gehen und rühre dich nicht vom Fleck wir sind noch nicht fertig mit dir. Als sie endlich ihr letztes Gespräch beendet haben kommen sie zu mir herüber. Meine Beine sind weich wie Pudding und irgendwie fühle ich mich innerlich wie Tod. Ich habe keine Gefühle mehr, kann weder lachen noch weinen, nichts mehr alles ist weg. Ich denke mir das ist wie bei einem Schock und starre die beiden vollkommen hilflos an. Dann setzen sie an und reden auf mich ein, sie beschimpfen mich und ich sehe ihre großen aufgerissenen Münder, ihre Zähne und alles was ich noch verstehe ist Rhabarber. Meine Ohren verweigern ihren Dienst und mein Gehirn blockt irgendwie alles ab. Nach einer viertel Stunde sind sie fertig und ich darf nach Hause gehen. Alles was jetzt noch von mir übrig ist schleppt sich durch die Gemeinde und das Treppenhaus hin zu meinem Auto. Als ich darin sitze wird mir so langsam bewusst was da gerade abgelaufen ist. Ich kann es nicht fassen und die Tränen bahnen sich so langsam den Weg nach oben. Tränen der Wut und der Verzweiflung, ich fühle mich beschmutzt und missbraucht. Aber was soll ich dagegen tun? Wer hilft mir denn? Ich fahre nach Hause und versuche mich zu sammeln. Aber alles was übrigbleibt ist dieses Loch in mir und das Gefühl mich von diesem Unrat abzuwaschen. Ja, ich werde Duschen und dann wird es mir bestimmt wieder besser gehen. Hoffe ich! Und morgen ist Sonntag, da muss ich wieder in die Gemeinde gehen. Irgendwie werde ich es schon schaffen. 21.1.2000 Heidi Dallmeier Wir waren ständig von Spitzeln und Zuträgern umgeben. Es funktionierte in dieser Gemeinde sehr gut. Die Zuträger waren angesehene Leute, die etwas über andere herausgefunden hatten, die wurden mit Zuwendung und persönlicher Belobigung hervorgehoben. Nach unserer Top Secret Tupperparty, hat sich der Pastor ungefähr eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Sonntagsgottesdienst darüber ausgelassen, wie doof er diese Schüsseln findet und wie überteuert und dass er solche Leute die sich Schüsseln kaufen auf die es eine Lebenslange Garantie gab, einfach blöd findet. Natürlich wurden keine Namen genannt, doch es wusste sowieso jeder, wer gemeint war. Es wurde sowieso nur das angeprangert was dem Pastorenpaar nicht vorher umsonst angeboten wurde. So hat eine Frau die einen Kurs zur Farb- und Stilberatung mitgemacht hatte, den Pastor und seine Frau umsonst beraten. Daraufhin setzte eine regelrechte Wallfahrt zu dieser Frau ein und jeder wollte nur noch in seinen Farben gekleidet sein. Wollte das optimale Make-up tragen usw. Das war kein Geschwisterausnutzen, denn wenn es die Pastorenfrau für gut befand, dann konnte das auch der Rest. So richtig los ging es dann aber erst als das Pastorenehepaar eine Anklage wegen sexuellen Missbrauchs erhielt. Das Pastorenehepaar wurde festgenommen und der Pastor musste bis nach der Verhandlung im Gefängnis bleiben. Zu dieser Zeit wirkte bei mir die Gehirnwäsche die ich durchlaufen hatte noch. Denn es war für mich und allen anderen Mitglieder unvorstellbar, dass dieses Ehepaar auch nur einen Hauch von Schuld haben könnte. Die ganze Zeit in der, der Pastor im Gefängnis saß haben wir gebetet. 40 Tage am Stück in einer Gebetskette rund um die Uhr und jeden Abend in der Gemeinde. Ich konnte noch nicht einmal glauben, dass diese Menschen lügen würden. So verblendet war ich. Sie haben ihre Strafe erhalten und heute kenne ich die wahre Geschichte. Später habe ich mich oft gefragt, wie es mir passieren konnte, dass ich meinen Verstand so ablegte. Nach dem Urteil, wurde es in der Gemeinde noch enger. Natürlich war alles vom Teufel geschickt eingefädelt worden, der unsere Gemeinde auf dem Kicker hatte und nun versuchte sie loszuwerden. Wir waren eine geistliche Macht und mussten noch mehr geistlichen Krieg führen. Jetzt kamen sie alle die Hochgeistlichen Größen der Charismatischen Bewegung. Paul Cain, Larry Lee, die Größen aus Toronto usw. Hier war ein Pastor eingesperrt worden, wegen seines Glaubens. Das adelte das Ehepaar und brachte ihnen einen Ruf ein mit dem sie später viel in der Welt herumreisten. In der Gemeinde selbst nahm die Kontrolle und die Manipulation immer mehr zu. Es gab Gesprächsprotokolle von Telefonaten und die Gemeindeleitung wurde über alles informiert was jemand sagte. Man musste sich schon genau überlegen wem man was sagte, wie man es sagte und warum. Die Situation spitzte sich zu. Ich würde das heute durchaus mit der Situation in der DDR durch die Stasi vergleichen. Die Predigten gewannen an Schärfe und der Co-Pastor musste oft Sonntag für Sonntag über die Unarten der Gemeindemitglieder predigen. Zu wenig Dienst, Spenden, 10ten, Demut, Gehorsam usw. Der Pastor bezeichnete sich als der gesalbte des Herrn, den man nicht antasten durfte. Würde man das doch machen in Form von Kritik, dann würde einen das schlimme Strafgericht treffen. Die Pastorenfrau wurde von Beth Alvis zur Prophetin gesalbt, welches auch die Bildzeitung groß aufmachte. Deshalb wurde ein Wache vor der Gemeinde aufgestellt. Die Gemeinde wurde von Mitglieder bei jedem Gottesdienst bewacht. Jeder der rein oder raus wollte und verdächtig aussah, musste sich kontrollieren lassen. Dann kam die Torontozeit und es setzte ein Reiseboom nach Toronto ein. Seltsamer Weise bekam ich solche Aktionen nie mit und erfuhr immer erst dann von Sachen, wenn schon alles ausgemacht war und man nicht mehr mitkonnte. Es flogen also einige Gemeindemitglieder nach Toronto. Als sie wieder kamen gab es einen Gottesdienst und in diesen Gottesdienst hat mich Gott berührt. Das war die eigentliche Grundlage, dass ich später aus dieser Sekte rauskam. An diesem Abend war auch Bobby Conner (der jetzt in der Gemeinde von Paul Cain ist) da. Es wurde also gebetet und ich bin aufgestanden und habe für mich beten lassen. An diesem Abend ist mir was passiert. ich erlebte die Liebe Gottes. Das war für mich wie zum greifen nahe. Diese Liebe veränderte was in mir. Ich fühlte mich nicht mehr abgelehnt, sondern angenommen, so wie ich war. Das gab mir einen Schub an Selbstvertrauen, denn ich wusste ganz sicher, dass Gott mit mir war. Man kann sagen, dass dies der Anfang von unserem Austritt war. Irgendwie hatte Gott meinen Kopf wieder eingeschaltet. Es fing an zu klicken und ich fand Leute in der Gemeinde die auch so dachten. Wir unterhielten uns sehr vorsichtig über die Missstände und das was nicht in Ordnung war. Oft las ich während der Strafpredigten in meiner Bibel und hörte gar nicht mehr zu. Trotzdem brauchten wir noch eineinhalb Jahre um aus der Gemeinde rauszukommen. Diese letzte Zeit ist mir eigentlich nur mehr so in Erinnerung, dass wir uns innerlich ablösten. Wir ließen die Dinge nicht mehr so an uns ran. Dann gab es eine Gemeindeversammlung, denn sie hatten es mit ihren Strafpredigten überzogen, die Leute waren unzufrieden und beschwerten sich. Diese Gemeindeversammlung war im Rückblick wirklich eine Lachnummer. Stundenlang durften die Leute aufstehen die einen Dienst in der Gemeinde hatten. Es wurde sich bei ihnen bedankt und ein paar Worte gefunden. Kritikpunkte musste man vorher einreichen mit Namensnennung und nicht Anonym, denn diese wurden nicht beantwortet. Ich fragte was sie gegen das gegenseitig Misstrauen tun wollten und warum das so schlimm in der Gemeinde sei. Dann fragte ich, was mit unserem 10ten passiert und warum das nie öffentlich gemacht wurde. Ja warum eigentlich niemand Bescheid wusste, was mit dem Geld passierte. Der erste Punkt wurde gar nicht beantwortet, bei dem zweiten wurden wir mind. eine Stunde lang beschimpft, natürlich wieder ohne Namensnennung. Es wurde uns vorgeworfen, dass wir unsere Hintern in der Gemeinde im Winter wärmen würden, dass wir undankbar wären usw. Wir gingen während dieser Beschimpfung nach Hause obwohl die Versammlung noch nicht zu Ende war. Es war schon mutig, einfach aufzustehen und zu gehen. Trotzdem brauchten wir noch ein Jahr um rauszukommen. Die Krönung die uns zum Gehen brachte, war dass sie einen Ãltesten öffentlich beschimpften. Das brachte das Fass zum überlaufen. Nach einer Woche in der ich immer mehr Magenschmerzen bekam und zum Schluss eine richtig schlimme Magenkolik hatte, bei der wir fast den Notarzt geholt hätten, da beschlossen wir unseren Austritt und schrieben ihnen ein Fax. Die Folge unseres Austritts war, dass wir bei Leuten die wir kaum kannten übelst verleumdet wurden. Es wurden Menschen angerufen die uns kaum kannten und der Co-Pastor erzählte eine Lüge nach der anderen. Es wurde vor uns gewarnt, wir konnten deshalb in keiner Gemeinde mehr Fuß fassen, denn sie hatten gründlich gearbeitet. Als wir mit einem Anwalt drohten, wegen der Verleumdungen und der üblen Nachrede, da hörten sie damit auf oder machten es geschickter, denn sie hatten noch Bewährung wegen des sexuellen Missbrauchs. Mit uns traten noch ca. 20 andere Leute aus, wir waren ein kleine Gruppe die sich selbst ein wenig half. Wir standen von heute auf morgen ohne soziale Kontakte da. Die Kinder hatten keine Freunde mehr und wir hatten auch keine mehr. Wir wurden gemieden, es wurde die Straßenseite gewechselt, wenn man uns sah. Wir wurden in einem Gottesdienst dem Teufel übergeben und es wurde massiv gegen uns gebetet. Wir mussten uns erst wieder im Leben zurecht finden und trainierten uns zuerst die christliche Sprache ab und redeten wieder normal. Wir erhielten noch einen bitterbösen Brief vom Pastor und das war es dann. Wir hatten nie mehr Kontakt zu dem Pastor und seiner Frau. Auch der Co-Pastor hat nie angerufen und sich für seine Lügen entschuldigt. Sie alle dienen noch munter dem Herrn, es fragt sich nur Welchem? Dies ist natürlich nur ein Ausschnitt dessen was ich erlebt habe, es ist nicht vollständig. Meine Kinder haben dadurch Schaden genommen. Das was mir wir mit ihnen im Namen des Herrn gemacht haben, das hat sie geprägt. Wir haben viel darüber gesprochen und viele Wunden wurden geheilt. Doch zurückdrehen kann man die Zeit leider nicht mehr. Gott hat alles in seinen Händen und alles muss sich für uns zum Guten wenden. Ich bin nicht mehr verbittert oder wütend, teilweise haben wir gelacht, als ich meiner Familie vorlas, was ich geschrieben habe. Denn es ist für uns heute unvorstellbar, dass wir uns freiwillig in dieser Sekte aufgehalten haben. Mittlerweile sind ganz viele Leute aus dieser Gemeinde ausgetreten, es kommen aber auch wieder neue hinzu und ich hoffe, dass viele Leute meine Geschichte lesen, damit sie gewarnt sind. Das Buch "Geistlicher Missbrauch" von Jeff van Vonderen wurde übrigens in dieser Gemeinde verboten. Was haben sie mit mir gemacht? Sie haben mein Selbstwertgefühl geschwächt und haben mir gesagt, dass ich nicht auf meine Gefühle vertrauen darf. Das haben sie biblisch begründet. Nach und nach habe ich nur noch auf das vertraut was sie mir sagten. Was sie für falsch hielten, war für mich falsch. Auch wenn meine Gefühle tausend mal was anderes sagten. Sie trainierten mir meinen gesunden Menschenverstand ab und brachten mich dazu mir selbst zu misstrauen. Dadurch konnten sie mich so steuern wie sie es wollten. Als ich an dem Punkt ankam, an dem ich nur noch die Wahl hatte, jetzt innerlich zu sterben und meine Persönlichkeit ganz aufzugeben, da rief das kleine ICH, das in mir noch übrig war um Hilfe. Gott hörte dies und sah meine Not. Er gab mir die Kraft aus dieser Gemeinde raus zu kommen. Allerdings war ich zu keinen Gefühlsregungen mehr fähig und erst als ich Therapie in Anspruch nahm, kam ich wieder an meine Gefühle ran. Ich spürte mich wieder selbst und eine riesige Wut. Ich glaube es gibt wenig Menschen die sich mal darüber gefreut haben, dass sie Wut verspürten. Bei einem bin ich mir ganz sicher, wäre ich da nicht rausgekommen, dann wäre ich früher oder später in einer geschlossenen Anstalt gelandet. Es mag verrückt klingen, das ist wirklich so und ich wäre nicht die Erste aus dieser Gemeinde der das passiert. Verfasserin: Heidi Dallmeier (vormals Pseudonym Emmily) Der Bericht nimmt Bezug auf die Immanuel Gemeinde Nürnberg. Das Pastorenehepaar ist Ekkehard Höfig und Iris Höfig, der Co-Pastor Johannes Bartel. Zum Abschluss möchte ich noch eine Geschichte einfügen, die auch geschrieben habe. Sie spiegelt das Klima wieder das in der Gemeinde herrschte und ist gleichzeitig ein abrechnen mit der Hilflosigkeit der damaligen Zeit. Die Zunge! Wer hat sie nicht? Jeder hat eine Zunge und sie ist so wichtig für uns. Wir brauchen sie zum schmecken, essen, schlecken und reden, auch könnten wir ohne sie nicht schlucken. Der Doktor sieht die Zunge an und wenn Belag drauf ist dann weiß er, dass man krank ist. Also ist sie unentbehrlich, ja sogar lebensnotwendig. Aber es gab ein Land in der war sie unerwünscht es wurde sogar verboten sie zu benutzen. Es war einmal ein kleines Völkchen in einem ganz winzig kleinen Land. Dort regierte ein dicker König und seine Königin. Sie hatten viele Untertanen und sie gehorchten alle dem Königspaar. Das Königspaar hatte beschlossen, dass niemand mehr die Wahrheit reden durfte. Es war bei Strafe verboten dem König oder der Königin zu sagen, dass sie dick oder hässlich waren und alle Menschen gehorchten ihnen. Oft verstanden sie nicht was das sollte, doch es war besser den Mund zu halten als, dass man Schwierigkeiten bekam. Und so gewöhnten die Leute sich das Reden ab. Keiner redete mehr mit dem anderen. Man nickte sich zu wenn man sich auf der Straße begegnete oder lächelte wenn man einen Freund traf. Das Königspaar hatte noch einige enge Vertraute und die passten auf, dass die Untertanen auch wirklich brav waren. Es ging viel Zeit ins Land und die Kinder die geboren wurden lernten das Sprechen gar nicht erst, denn so konnten sie auch nichts Falsches sagen. Es war ein Land der Stille, das nur dann auflebte wenn der König oder Königin etwas sagten, dann hingen alle wie gebannt an ihren Lippen und alles was sie sagten war ihnen Wahrheit und Gesetz. Manchmal entschlüpfte einem Erwachsenen ein Wort oder sogar ein ganzer Satz und da war dann guter Rat teuer. Was wenn es der König gehört hatte oder schlimmer seine Untertanen es ihm zutragen würden? Oh weih, dann wollte man doch lieber gleich die Zunge herausgeschnitten bekommen damit einem das nicht mehr passieren konnte. Es gab aber auch die Möglichkeit es abzubüßen und dem König und seiner Königin Geschenke oder andere Dinge zu bringen. Da man wusste, dass die beiden gerne essen, war es eine Möglichkeit ihnen leckere Dinge zu kochen oder zu backen und so wurden die beiden immer runder und rosiger. Doch dann geschah etwas in dem winzig kleinen Land. Ein Ehepaar reiste durch die Welt und besuchte auch dieses Land und da es gewohnt war zu reden, zu lachen und zu weinen war es sehr erstaunt, dass niemand der Bewohner mit ihnen sprach. Sie versuchten es hier und dort und alle schauten sie nur mit großen Augen an. Was die wollten reden? Schrecklich das war doch bei Strafe verboten! Wie konnten die nur so unbeschwert sein und so laut miteinander reden? Oh wenn der König das erfuhr würden sie in den Kerker geworfen werden! Eine Frau die das Sprechen noch nicht verlernt hatte, nahm sie auf die Seite. Sie schaute sich ängstlich nach allen Seiten um und vergewisserte sich, dass niemand sie sah und dann versuchte sie zu sprechen. Sie nahm all ihren Mut zusammen und nach einigem Räuspern und Husten brachte sie fertig wieder Worte zu formen die man auch verstehen konnte. Sie sagte zu ihnen: "Passt auf, es ist uns streng verboten miteinander zu reden, dem Königspaar ist es einzig und alleine erlaubt sonst niemanden!" Seid also besser still, sonst müsst ihr in den Kerker! Das Ehepaar sah sich erstaunt an und fragte: "Wer bist du denn und warum wagst du es mit uns zu reden, wenn euer König so hart ist?" Doch die Frau antwortete nicht mehr. Zu groß war die Angst erwischt zu werden. Sie ging schnell in ihr Haus und machte die Türe zu. Das Ehepaar suchte sich ein Hotel und ging zur Anmeldung und auch hier wurde nur mit den Händen gedeutet und nichts geredet. Langsam glaubten die beiden, dass die Leute hier alle verrückt waren und sie beschlossen sich den König und die Königin einmal selbst anzusehen. Am Sonntag früh so verkündete ein Plakat im Hotel würden die beiden wieder auftreten und eine Rede zum Volk halten. Für das Ehepaar war es gar nicht so leicht in einem Land zu sein indem man nicht reden durfte und so lernten sie, dass wenn man sich etwas zum Essen bestellen wollte mit dem Finger auf das gewünschte in der Karte zu zeigen. Sie redeten beim Essen viel miteinander, was aber nur zur Folge hatte, dass sie alle mit bösen Blicken anschauten. Immer und überall war die Angst vor dem Königspaar zu spüren. Am Sonntagmorgen standen sie in aller Frühe auf um das Paar ja nicht zu verpassen und in aller Eile frühstückten sie und machten sich mit den anderen Leuten des Landes auf dem Weg zum Königspaar. Als sie angekommen waren, war das Königspaar noch nicht einmal da, aber es gelang ihnen sich einen Platz in der vordersten Reihe zu sichern und so warteten sie voller Ungeduld mit der schweigenden Menge auf die Beiden. Die Vertrauten des Königs waren alle schon anwesend und ihre Augen ruhten auf den Leuten. Es war so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Mit einiger Verspätung traf dann das Königspaar ein und dann wurde es durch die Bewegungen der Menschen doch etwas unruhig. Feierlich schritten sie auf ihrem Thron zu und setzen sich hin. Als sie ihr Volk lange genug mit Blicken gemustert hatten, stand der König auf und fing das sprechen an. "Die Zunge welch kleines Ding, mit ihr kann man Pferde lenken und sie verbreitet doch nur giftige und böse Worte!" Seid auf der Hut und benutzt sie niemals, sie ist der Anfang allen Ãbels! Redet nicht miteinander und wenn jemand versucht mit dir zu reden, so melde es mir sofort. Jeder der es wagt zu Reden wird in den Kerker geworfen werden oder aus unserem schönen Land verbannt werden. Deshalb schweigt und hütet eure Zunge. Und dann geschah etwas was noch niemals in all der Zeit die vorher war geschehen ist. Der Mann der als Gast in diesem Land weilte, stand auf. Er drehte sich um und schaute verschiedensten Leuten in die Augen und dann sah er den König und die Königin direkt an. Er fragte sie: "Warum habt ihr solche Angst, dass die Leute sprechen?" Ist es nicht die Stimme die: "Die schönsten Lieder singt?" Oder ist es nicht die Sprache die sagt: "Ich Liebe dich?" Die Worte die ich sage sind nicht nur böse und gemein! Nein sie sind gut und ehrlich, sind deine Bürger etwa Tiere die nicht miteinander reden können? Warum bist du und deine Frau so grausam zu den Leuten? Lasse sie miteinander reden und du wirst sehen es kommt nichts schlimmes dabei raus. Der König lief vor Wut in seinem Gesicht langsam Rot an, seine Frau kreischte im Hintergrund und die Vertrauten hielten den Atem an. Was würde jetzt passieren? Der hatte es gewagt dem König zu widersprechen, oh das würde eine grausame Strafe nach sich ziehen. Der König holte Luft um noch mächtiger auszusehen und schrie den Mann an, du du wagst es mir den König dieses Landes zu widersprechen? Wer bist du denn? Ãberhaupt wie kommst du in mein Land? Und der Mann antwortet: "Ja, ich wage es, denn überall auf der Welt dürfen die Menschen miteinander reden, wir haben so viele Länder bereist und das hier ist das erste indem es verboten ist!" Verrat schrie der König, schmeißt dieses Ehepaar aus meinem Land und sie sollen Einreiseverbot bekommen solange ich lebe. Die Vertrauten des Königs machten sich gleich auf dem Weg und das Ehepaar wurde aus der Menschenmenge weggedrängt und des Landes verwiesen. Doch noch im wegdrängen schrie der Mann ihnen zu, geht raus aus diesem Land, lasst es euch doch nicht gefallen, tut etwas dagegen! Die Untertanen aber waren entsetzt, wie konnte der nur ihren guten König so angreifen? Welch Unverschämtheit, wie gut, dass man einen König und eine Königin hatte auf die man sich verlassen konnte. Einige wenige, erlaubten sich den Gedanken, dass wohl etwas wahres an dem sein musste was der Mann gesagt hatte. Aber die Gefahr dabei erwischt zu werden war zu groß und so beschlossen sie lieber weiterhin so zu leben wie es das Königspaar wünschte das war besser, als dass man des Landes verwiesen wurde. Wohin konnte man denn schließlich schon gehen? Das Ehepaar reiste weg aus diesem Land und kam nie mehr dahin zurück. Aber ab und zu wagt es jemand seinen Kinder über diese Leute zu berichten. Doch nur in finsterster Nacht und hinter verschlossenen Türen, so dass bestimmt niemand es mithören konnte. Und so lebt dieses winzig kleine Land noch heute ohne, dass die Leute ein Wort miteinander sprechen. 3.12.99 Heidi Dallmeier |