"Absolutheit im Anspruch"

Auszug aus Spiegel Nr. 43/2006:
"Was mich trotz der entspannenden Atmosphäre beschäftigte und in gewisser Weise misstrauisch machte: Immer wieder klang auch in unseren Gesprächen unter vier Augen durch, wie sehr sich dieser Präsident als "gottesfürchtig" und im Einklang mit dieser für ihn höchsten Instanz verstand. Das hat mich während seines Besuches immer wieder beschäftigt. Ich kann gut verstehen, wenn jemand ein sehr gläubiger Mensch ist und sein privates Leben an der Zwiesprache mit Gott ausrichtet, in diesem Fall im Gebet. Das Problem, das ich mit einer solchen Position habe, beginnt dort, wo sich der Eindruck aufdrängt, politische Entscheidungen seien die Folge des Gesprächs mit Gott. Wer politische Entscheidungen so legitimiert, kann nicht zulassen, dass diese durch Kritik oder Gedankenaustausch mit anderen verändert oder auch nur relativiert werden. Ließe er das nämlich zu, verstieße er gegen einen Auftrag Gottes, der er im Gebet erhalten hat. Diese Absoluheit im Anspruch, die mir im Jahre 2002 keineswegs nur in Gesprächen mit dem amerikanischen Präsidenten, sondern auch in seinen Äußerungen vor der Öffentlichkeit immer wieder begegnete, verstärkte meine politische Skepsis - ungeachtet meiner persönlichen Sympathie für Amerika und seinen Präsidenten."

Spiegel Nr. 43/2006: Schröder über George W. Bush